CRASS

Stations Of The Crass

Nachdem zuerst das 1978er CRASS-Debütalbum „The Feeding Of The 5000“ in komplett überarbeiteter Form neu aufgelegt worden war, ist nun mit den Nachfolgern „Stations Of The Crass“ (1979), „Penis Envy“ (1981) und „Christ – The Album“ (1982) der Großteil des CRASS-Werkes im Rahmen der „The Crassical Collection“ wieder verfügbar.

In ihrer Bedeutung für die Ausformung der Punk-Szene von einer juvenilen Protest- und Provokationsbewegung sowie einem Kunst- und Pop-Phänomen hin zur ernsthaft für gesellschaftliche Veränderungen eintretenden, ja kämpfenden Bewegung kann man CRASS gar nicht überbewerten.

Deutlich machen das aktuell die Passagen mit Penny Rimbaud und Gee Vaucher (beide sind mittlerweile im Punk-Opa- und Punk-Oma-Alter und sehen auch so aus) in dem Dokumentarfilm „Protest & Resistance“, in dem es um die weltweite D.I.Y.-Bewegung geht, für die CRASS bis heute direkt wie indirekt Vorbilder sind.

Punk als die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage stellende, gegen die Grenzen von überkommener Moral, Geschlechterverhältnissen, Religion und Nation angehende Idee wurde musikalisch, inhaltlich, stilistisch und ikonografisch maßgeblich von der Band aus Südengland geprägt.

Nachdem zuerst „The Feeding Of The 5000“ nach sehr langen, anstrengenden Diskussion zwischen den ehemaligen Bandmitgliedern erscheinen konnte, wurden nun die nächsten drei Platten unter Federführung von Steve Ignorant, Penny Rimbaud und Grafikerin Gee Vaucher sowohl im LP-Format (mit mp3-Downloads) sowie als CD-Box mit Bonustracks neu aufgelegt, wobei Penny Rimbaud sich um das Mastering kümmerte und Gee Vaucher, auch damals für das Artwork verantwortlich, selbiges digitalisierte und überarbeitete.

Im dicken Pappschuber findet sich neben einem normalen CD-Cover-Schuber ein enorm dickes Booklet sowie eine Replika des originalen Poster-LP-Faltcovers als Mini-Faltposter. Vorbildlich: Im 64-seitigen Booklet sind alle Texte – jeder auf einer eigenen Seite mit eigenem Artwork – enthalten, und man muss es klar ausdrücken: Blasiertes Feuilleton-Pack und linke Spießer, für die Punk ein lustiges Phämomen war und ist, die kurz gesagt nichts kapiert haben, sollten sich mal Texte wie „The Gasman Cometh“ von „Stations Of The Crass“ zu Gemüte führen – ein universelles, auch heute angesichts von Protesten in Griechenland oder Ägypten noch aktuelles Szenario von staatlicher Unterdrückung und der vielfachen Gleichgültigkeit dafür.

„Stations ...“ erschien zuerst 1979, als Doppel-12“, deren Seiten 1, 2 und 3 auf 45 rpm liefen, wohingegen Seite 4 auf 33 rpm lief und 17 Live-Songs aus dem Jahre 1979 enthielt. Bis auf einen Track (der letzte von S.

3) sind alle Studiosongs hier enthalten, statt der Live-Stücke finden sich auf der CD sechs im Rahmen einer 1979er Peel Session entstandene Bonustracks. 1981 erschien „Penis Envy“, das Album, auf dem Steve Ignorant aus konzeptionellen Gründen nicht als Sänger zu hören ist, denn dem Freud’schen Penisneid-Konzept folgend ging es auch um Feminismus – und so übernahm Eve Libertine (teils auch Joy De Vivre) den Gesang.

Musikalisch präsentiert sich das Album elaborierter als die ersten beiden, die durch ihren Maschinengewehr-Rhythmus und scharf gebellte Vokalpassagen große Härte ausstrahlen. Mit nur neun Stücken sowie dem Bonustrack „Our wedding“ (seinerzeit incognito als Flexi-7“ als Beilage eines Jugendmagazins erschienen) war „Penis Envy“ ein kurzes Vergnügen, die Neuauflage wurde ergänzt um drei mehr oder weniger neue Bonusnummern aus altem Material.

„Christ – The Album“ schließlich erschien nach einjähriger Arbeit daran 1982 als Doppelalbum – und frustrierte die Band, war es doch im Februar 1982 fertiggestellt worden, zum Veröffentlichungszeitpunkt aber bereits „veraltet“, denn mit dem im April 1982 begonnenen Falkland-Krieg (Großbritannien gegen Argentinien) hatte der Protest gegen die Regierung Thatcher einen Höhepunkt erreicht, ohne dass das auf dem Album kommentiert werden konnte.

Die Non-Album-Singles „Sheep Farming In The Falklands / Gotcha“ (1982) und „How Does It Feel To Be The Mother Of 1000 Dead? / The Immortal Death“ (1983) waren das Resultat. Musikalisch waren CRASS nach ihrem „Penis Envy“-Ausflug auf „Christ“ wieder so scharf und bissig wie zuvor.

15 Songs enthielt das originale Album, 22 bietet die um Outtakes ergänzte Neuauflage an, und auf CD2 finden sich die Live-Songs von „Well Forked – But Not Dead“, die im Original auf der zweiten LP zu finden waren.

Betreffend Ausstattung und Booklet gilt übrigens sowohl für „Christ“ wie für „Penis Envy“ das zu „Stations ...“ Gesagte. Zusammen mit Penny Rimbauds Buch „Shibboleth“ und Steve Ignorants Autobiografie ist der CRASS-Katalog Pflichtmaterial, dessen Kenntnis man von jedem, der ernsthaft mit Punk sich auszukennen und zu beschäftigen vorgibt, voraussetzen muss.