ASH RA TEMPEL

Starring Rosi

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man aktuelle Entwicklungen im Bereich Doom Metal, vor allem deren von montonen Drones und Minimalismus geprägten Spielarten, überhaupt ernsthaft bewerten kann, ohne mal eine Note von Manuel Göttsching und seiner Band ASH RA TEMPEL gehört zu haben, insbesondere deren 1971 veröffentlichtes grandioses Debüt mit seinen zwei epischen Tracks.

Natürlich entstanden ASH RA TEMPEL nicht in einem musikalischen Vakuum, denn vor ihnen hatten Bands und Musiker wie HAWKWIND, THE VELVET UNDERGROUND, PINK FLOYD, Jimi Hendrix oder Sun Ra bereits den Boden bestellt für schroffen bluesigen wie psychedelischen Rock mit starkem Jam- und Improvisationscharakter.

Dennoch kann sich Göttsching rühmen, zumindest in Deutschland damit absolute Pionierarbeit geleistet zu haben und zählt so neben TANGERINE DREAM, AGITATION FREE, GURU GURU oder CAN zu den wirklichen Klassikern im Bereich Krautrock, vor allem durch die starke Integration von Synthesizern in einen solchen Rock-Kontext.

Und gerade ASH RA TEMPELs Debüt erweist sich 41 Jahre nach seiner Entstehung als ungemein zeitloses Album, eingespielt zusammen mit dem früheren TANGERINE DREAM-Schlagzeuger Klaus Schulze, sowie Bassist Hartmut Enke und aufgenommen von Conny Plank.

Ist der erste Track „Amboss“ vor allem eine exzessive Bluesrock-Nummer, kommen beim knapp 26-minütigen „Traummaschine“ dann verstärkt die elektronischen Drone-Elemente zum Tragen, die in erster Linie für ASH RA TEMPELs heutigen Kultstatus verantwortlich sein dürften, neben Göttschings imposanter Gitarrenarbeit, die nicht nur hippieskes Rumgedudel ist, sondern hochkonzentriert und energetisch die Songs vorantreibt.

Beim zweiten Album „Schwingungen“ ein Jahr später ist Schulze schon nicht immer dabei und konzentrierte sich auf seine bis heute höchst erfolgreiche Solokarriere. Diesmal gab es insgesamt drei Stücke, zwei mit Gesang, wo ASH RA dann erstaunlich stark nach CAN klangen, hinsichtlich der hektischen Rhythmik und des an Damo Suzuki erinnernden Sängers.

Das Highlight ist hier aber das gut 19-minütige Titelstück, eine wundervolle instrumentale Spacerock-Oper, die leider abbricht, als es gerade am schönsten ist. Es folgten dann zwischen Ende 1972 und 1973 drei weitere Platten, „Seven Up“, „Join Inn“ und „Starring Rosi“.

Am bemerkenswerten dürfte dabei „Join Inn“ sein, wieder eingespielt in der Besetzung Göttsching, Enke und Schulze, der zumindest temporär zu ASH RA zurückgekehrt war. Erneut zwei Stücke, eines mit bluesigem Improvisationsrock, das andere eine trippige Ambient-Nummer, bei der man Schulze beziehungsweise TANGERINE DREAM recht deutlich heraushört, und bei der auch die Einbeziehung einer gewissen Rosi als Sängerin wunderbar gelingt.

„Starring Rosi“ steht dann ganz im Zeichen von besagter Rosi Müller, die bei vier der sechs Tracks als Sängerin zu hören ist. ASH RAs bis dahin schwächstes Album, denn auch wenn sich Göttsching hier erneut als virtuoser Gitarrist präsentiert, kommt „Starring Rosi“ selten über die Ebene konventionelleren Hippie-Rocks à la GRATEFUL DEAD hinaus.

Auf „Seven Up“ gab es zumindest noch die Stimme und die Texte von LSD-Guru Timothy Leary zu hören, ansonsten verzettelte sich das Album in einem etwas zu ausgefransten wilden bluesigen Improvisations-Rock, dessen angepeilte halluzinogene Wirkung sich doch sehr in Grenzen hielt, auch wenn der zweite spacerockigere Track „Time“ durchaus seine Qualitäten besaß.

Dafür gelang Göttsching in der Frühphase von ASH RA TEMPEL, bevor die „Band“ dann nur noch ASHRA hieß, mit „Inventions For Electric Guitar“ 1974 eine seiner besten Platten. Eigentlich unter seinem eigenen Namen veröffentlicht und auch komplett allein eingespielt, wurde „Inventions For Electric Guitar“ teilweise als sechstes ASH RA TEMPEL-Album vermarktet, verzichtete aber völlig auf Einflüsse von Blues- oder Psychedelic-Rock.

Stattdessen werden die drei Stücke charakterisiert durch einen fast futuristisch anmutenden Trance/Spacerock mit flirrenden, an Robert Fripp und seine Frippertronics-Technik erinnernden, sich überlagernden Gitarrensounds und unterschwellig pulsierender Rhythmik, die aber dennoch eine ungemein treibenden Dynamik besitzen und auch heute noch im Sinne des Plattentitels äußerst erfindungsreich und ungewöhnlich klingen.

Quasi die Vorstufe für Göttschings späteres bahnbrechendes Proto-Techno-Album „E2-E4“ von 1981. Auch wenn der ASH RA TEMPEL-Backkatalog auf CD in der Vergangenheit weniger schwer aufzutreiben war als der anderer Krautrock-Bands, sind die bisher erschienenen Rereleases von Göttschings umfangreichen und wegweisenden Schaffen schon alleine deswegen äußerst empfehlenswert, weil die Aufnahmen vom Meister höchstpersönlich überarbeitet wurden und dementsprechend auch klanglich auf dem neuesten Stand sind.