Ein seltsames Album. 1980 erschien „Solo In Soho“, das erste Solo-Werk des sonst eher als Phil (nicht Philip) Lynott bekannten THIN LIZZY-Frontmanns. Ich frage mich, wie dieses Album seinerzeit gewirkt hat, denn weder ist hier was vom THIN LIZZY-Trademarksound zu hören, noch passte das Album so richtig in die Zeit zwischen Punk und New Wave.
Dennoch war das Album damals wohl kein Flop, und der Ire Lynott, Anfang dreißig, einer der Celebrities der britischen Rockszene. Dass Lynott musikalisch vielfältig interessiert war, dürfte bekannt sein, und auch dass er Punk nicht als Konkurrenz oder Bedrohung ansah, sondern Freundschaften speziell mit den SEX PISTOLS, THE DAMNED und BOOMTOWN RATS pflegte, ja sogar in Form der GREEDIES 1978/79 eine Band aus Mitgliedern von THIN LIZZY und SEX PISTOLS existierte.
Und dann entstand im Winter 1979/80 in London und in Nassau, Bahamas „Solo In Soho“, dieses ambitionierte Solowerk mit vielen Freunden und Gästen, das man bei oberflächlicher Betrachtung als nebensächlich und unausgegoren abtun könnte.
Doch wie so oft lohnt der zweite, dritte, vierte Blick und plötzlich offenbart sich hier ein kleines Meisterwerk von einem, der, hätte er sich nicht mit Alkohol und Drogen schon mit 36 selbst ins Grab gebracht, heute ein altersweiser Rock-Überheld sein könnte.
Gary Moore, Huey Lewis, Midge Ure, Mark Knopfler und viele andere trugen zu diesem Album bei, das stilistisch zwar ein buntes Sammelsurium aus Rock, Pop, Reggae und sonstwas darstellt, aber einfach einen erstaunlichen Reiz hat, gerade weil Lynott textlich viele Einblicke in seine Gedankenwelt gibt.
In „King’s call“ (neben „Dear Miss Lonely“ eine der beiden Singles) reflektiert er über Elvis’ Tod, in „Ode to a black man“ geht es um seine Erfahrungen mit Rassismus angesichts seiner nicht gerade irisch blassen Haut, und „Talk in ’79“ ist ein kenntnisreiches Namedropping in Sachen Punkrock – verblüffend, wen Phil so alles kannte und schätzte! Jener Song ist neben der Synthpop-Nummer „Yellow pearl“ (Hallo Midge Ure!) auch mein Hit der Platte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Joachim Hiller