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SLIME

Wem gehört die Angst

Im zehnten Jahr nach ihrer Wiedergründung veröffentlichen SLIME mit „Wem gehört die Angst“ passend zu ihrer Vierzig-Jahre-Tour ihr drittes Album in der neuen Besetzung. Die Hamburger Band hatte sich schon im letzten Ox-Interview als Punkrock-Band mit Betonung auf Rock beschrieben und sich selbst in die Nachfolge von TON STEINE SCHERBEN gestellt, die Menschen mehr über die Inhalte ihrer Songs erreichen als über Attitüde.

Beides unterstreicht das neue Album nachdrücklich, das auf mich kämpferischer, aber auch persönlicher als „Hier und Jetzt“ wirkt. SLIME sind wieder punkrockiger geworden, es gibt viele Songs mit Singalongs und erinnert mich vom Gefühl her an „Schweineherbst“.

Denn wie damals 1994 tobt der braune Mob, dieses Mal nicht nur auf den Straßen, sondern er sitzt mittlerweile auch offen in den Parlamenten. Mit dem Opener „Wem gehört die Angst“ findet sich der passende Soundtrack für das vorherrschende Thema des Albums: die Angst, angefacht von der AfD, den Medien, weltfremden Verschwörungstheoretikern und so weiter.

Auch weitere Songs wie „Weißer Abschaum“, „Die Toten wollen wieder alleine sein“, „Die Masse“ oder „Kein Mensch ist illegal“ haben den allgemeinen Rechtsruck und seine hässlichen Fratzen zum Thema, denn, wie SLIME feststellen, „die Masse läuft hinter jedem Idioten her“ und so fordern sie: „Weg mit den besorgten Bürgern, schmeißen wir sie raus!“ Bei „Ebbe und Flut“ frage ich mich, wie viel lyrisches Ich in dem Text steckt, wenn sie singen: „...

wie ein Phönix, der verkatert in der Asche erwacht“, während sie in „Paradies“ die eigene Politvergangenheit und die Auseinandersetzungen um das AKW Brokdorf thematisieren – beim Kampf um das Paradies, das Rio Reiser und TON STEINE SCHERBEN einst besangen.

Dass sich die Band zum ersten Mal in vierzig Jahren bei „Hölle“ mit „Jeder gegen jeden, alle gegen alle“ selbst zitiert, sei ihnen gegönnt. SLIME blicken aber auch weiterhin über den Tellerrand hinaus.

Der Song „Die Suchenden“ arbeitet mit Reggaeparts, und mit „Wenn wir wollen“, in dem sie den Klimawandel beschreiben, gelingt ihnen schon fast eine Stadionhymne im positiven Sinne. Solidarität und Zusammenhalt war auch schon auf „Hier und Jetzt“ ein wichtiges Thema, deswegen passt es sehr gut, dass mit „Solidarity“, ein Irish-Folk-Punkrock-Song, das Album ausklingt, in dem sie „Die Internationale“ im letzten Refrain anspielen.

Hier findet sich auch der einzige Gastsänger auf der Platte, ein Grund warum das neue Album so kompakt wirkt. Im Rückblick scheint es mir, als wären es immer die dritten Platten jeder Bandphase, die etwas Besonders sind – wie „Alle gegen Alle“, „Schweineherbst“ und jetzt „Wem gehört die Angst“.

Und das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen!