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FUTUROMANIA

Simon Reynolds

Simon Reynolds erzeugt mit seinem neuen Buch im Gegensatz zu „Retromania“ leicht hibbelige, neugierige Vergnügtheit. Beschäftigte sich das Vorwerk mit Jahrzehnten immer gleicher Musik als neuer Wein in alten Schläuchen, steht hier die Zukunft im Fokus, zum Teil mit hoffnungsfroh perspektivischem Blick aus der Vergangenheit. In 29 unabhängigen Texten, zuvor in Magazinen wie Spin oder Wire erschienen, wird die Entstehung und Bedeutung von elektronischer Musik beleuchtet. Der Bogen wird von den Sechzigern bis zu heutigen Bands geschlagen, von wem sie beeinflusst wurden und für wen sie größere Bedeutung erlangten. Als Einstieg gibt’s ein Kapitel zu Giorgio Moroders „I feel love“ mit Donna Summer. So kommerziell bleibt das Buch nicht. Erstaunlich: THE KLF, politisch und musikalisch wegweisend, werden nur kurz erwähnt. Ansonsten geht’s weit zurück: Stockhausen, Ligeti, Brian Eno, TANGERINE DREAM, PINK FLOYD. Moderne Klassik (Glass, Nyman) kommt vor, der Einfluss von Terry Riley und Steve Reich auf Techno, dann Jungle, Hardstep, Grime, Gabber, bevor es zum Internet-Zeitalter geht. Siehe Rock: melancholischer Blick zurück, Bedienen bei alten Kamellen. Ausnahmen: 2Step und Grime, Musik der Altvorderen mit neuen Methoden und Ideen auf Trab bringend. Am Ende erhalten Würdigungen: BURIAL (Hauntology: Zukunfs- und Erinnerungsverlust, Trostlosigkeit bei JOY DIVISION, Tony Blair, eiserne Lady); BOARDS OF CANADA (gespenstische glasig-subtile Substanz), DAFT PUNK (akkurate Reproduktion von Synthie und Drumcomputer im Euro-Disco-Sounds), womit das Buch wieder zum Anfang führt: Summer und Moroder. Die These, Musik wird in fünfzig Jahren sein wie jetzt, hält das Buch kulturpessimistisch, im Vergleich zu „Retromania“ ist es aber positiver.