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SHANE

Totale THE POGUES-Fans werden auch die letzten Jahre, als es etwas ruhiger geworden war um die Legende des Folk- und Celtic-Punks, das Schicksal von Shane MacGowan verfolgt haben. Ich tat das eher am Rande, und um so mehr schockt mich deshalb diese Doku von Musikfilm-Legende Julian Temple, der seine Karriere 1979 mit der SEX PISTOLS-Mockumentary „The Great Rock’n’Roll Swindle“ begann und mit „Joe Strummer: The Future Is Unwritten“ 2007 ein Meisterwerk ablieferte. Denn der Shane MacGowan (Jahrgang 1957), den man hier auf Bildern aus den letzten Jahren zu sehen bekommt, ist ein Wrack: Schief hängt er in einem Sessel oder Rollstuhl, die Mimik eingefroren, die Artikulation mühsam, die Worte kommen sehr langsam über seine Lippen – aber er wirkt intellektuell klar. Fast schon voyeuristisch kommt man sich hier vor, nur langsam gewöhnt man sich an den Anblick der Folgen von Krankheit und Alkohol. Seinen Witz, seinen Humor aber hat der Mann, der 1982 mit den POGUES das Celtic Punk-Genre begründete, nicht verloren. Julian Temple als Meister seines Fachs erzählt die Geschichte von Shane, der im Irland der 1960er aufwächst und das wirkt wie um 1860, mit einer Mischung aus Familienfotos, comicartigen Bildern und historischem Bildmaterial sowie (alten) O-Tönen. Es ist auch die Geschichte eines geknechteten Landes, das von der Kolonialmacht Großbritannien aufs Übelste ausgebeutet wurde – und dessen Widerstand gegen die Besatzer. MacGowans Familie war an diesem Widerstand beteiligt, und so passt es, dass zu den Gesprächspartnern von Shane, die Temple mit diesem zusammengebracht hat, auch der Politiker Gerry Adams gehört. Amüsant ist im Übrigen die Szene von Johnny Depp und Shane. Ein Höhepunkt ist die Party zum 60. Geburtstag des längst zum irischen Nationalhelden gewordenen MacGowan, wo der irische Präsident Michael D. Higgins MacGowan die Ehre erweist. Ein essenzieller Musikfilm an der Schnittstelle von Punk, Politik und Geschichte. Im Original hat der Film übrigens den Titel „Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan“ – warum es hier eine pseudodeutsche Version geben musste, obwohl das einzig Deutsche hieran die Untertitel sind, ist die große Frage am Rande.