SEBADOH

Defend Yourself

2005 war Lou Barlow ein paar Monate vor den ersten DINOSAUR JR-Deutschlandkonzerten nach der Reunion solo in Deutschland unterwegs, und angesichts des Wirbels um jene und deren immer noch (und wieder) große Fanschar war ich doch sehr erstaunt, dass es gerade mal 50, 60 Leute zur Show im Kölner Gebäude 9 geschafft hatten.

Ich war naiverweise davon ausgegangen, dass jemand, der sich als DINOSAUR Jr.-Fan bezeichnet, gleichermaßen am Schaffen von Gründungsmitglied Barlow interessiert sein müsste, der zwar 1989 von J Mascis den Bass vor die Proberaumtür gestellt bekommen hatte, danach aber mit SEBADOH, SENTRIDOH und FOLK IMPLOSION (mit denen ihm 1995 sogar ein Top 40-Hit gelang, „The natural one“ vom „Kids“-Soundtrack) sowie solo ständig irgendwo spielte, durchgängig Platten veröffentlichte.

SEBADOH waren dabei meist die Hauptband Barlows. 1986 von Lou und Eric Gaffney gegründet, erlebten sie in den Neunzigern einen erstaunlichen Höhenflug, wurden zum Inbegriff von „Indie Rock“.

Den finalen kommerziellen Durchbruch schafften sie aber nie, auch wenn es für die Band, deren Line-up sich 1989 mit dem Einstieg von Jason Loewenstein komplettiert hatte, immer gut lief. Ihr schrammeliger, sympathischer Lo-fi-Sound war letzten Endes doch zu sehr auf nerdige Musikfans ausgerichtet als massentauglich, und daran änderte auch ein Sub Pop-Deal nichts.

Waren die frühen Platten auf Homestead erschienen, wechselten Barlow und Loewenstein 1992 zum Grunge-Label aus Seattle, wo bis 1999 fünf weitere Alben erschienen. Ab 1999 hieß es dann aber „the status is hiatus“ – Lou Barlow machte mit seinem bisherigen Nebenprojekt FOLK IMPLOSION weiter, Loewenstein solo.

Richtig weg waren SEBADOH aber nie, auch wenn sie im kommenden Jahrzehnt keine Platte veröffentlichten und anfangs nur sporadisch Konzerte spielten, ab 2007 dann auch wieder tourten und das als Reunion bezeichneten.

Nun sind Konzerte das eine, in meiner Definition einer Reunion beinhaltet das aber auch neue Aufnahmen, eine neue Platte. In dieser Hinsicht allerdings lief bis 2012 gar nichts, Barlow hatte wohl mit DINOSAUR JR.

genug zu tun, und eine richtige Veröffentlichung war die Digital-EP „Secret“, die im im Juli 2012 erschien, auch nicht. Immerhin, sie enthielt fünf neue Songs. „Richtig“ wieder da sind SEBADOH nun seit September 2013: mit „Defend Yourself“ erschien das erste neue Album seit 14 Jahren, eingespielt von Barlow und Loewenstein zusammen mit Bob D’Amico, einem langjährigen Mitmusiker von letzterem.

Mir fällt es schwer, mich bei „Defend Yourself“ in die Rolle des per definitionem „kritischen“ Kritikers zu bewegen, ich gestehe, ich bin befangen: Lou Barlow war nie weg für mich, seine markante Stimme, sein Gitarrenspiel durch seine Soloplatten immer präsent.

So vertraut klingt dann auch jeder der 13 Songs auf dem erstaunlichen langen Album, und es brauchte zwar vier, fünf Durchläufe, bis ich erkannte, dass „Defend Yourself“ nicht einfach nur ein „ganz okaynes“ Comeback-Album ist, sondern eine Platte, die dem aktuellen DINOSAUR JR-Output in nichts nachsteht: vor allem der Titelsong ist ein echter Hit.