Wer selbst auf dem Land aufgewachsen und in die Stadt gezogen ist, kennt das alles. Die Straßen der Jugend und die Menschen, die dort geblieben sind. Mit ihren Anbauten ans Elternhaus und den Läden und Leben ihrer Eltern, die sie übernommen haben. „Schützenfest“ ist mittlerweile Dirk Bernemanns 16. Buch. Selbst aus dem Münsterland nach Berlin gezogen, lässt er hier nun seinen Protagonisten Gunnar Bäumer von eben jenem Berlin in das alte Dorf zurückkehren, um Haus und Garten der Eltern zu hüten, Fische zu füttern. Gerade ging wieder einmal eine Beziehung schief, es gibt viel nachzudenken, eine Pause vom pulsierenden Metropolenleben erscheint ihm angebracht. Dumm nur, dass gerade das alljährliche Schützenfest stattfindet, mit all seinen Paraden und von Stangen zu schießenden Vögeln, Festzelten, Fahrgeschäften und Bierwägen. Dumm auch, dass ehemalige Wegbegleiter und hartnäckige Nachbarn zwanghaft darauf bestehen, dass Gunnar Bäumer sich mit ihnen betrinkt und er dadurch, wenn auch nur für die Zeit des Festes, wieder Teil der Dorfgemeinschaft wird. Also taucht er ein in den tagelangen Dauerrausch, Zeltschlägereien, Gespräche mit Leuten, die er einmal kannte, konfrontiert sich mit den dunklen Flecken der eigenen Vergangenheit und der gegenwärtigen Lebensrealität seiner einstigen großen Liebe Franziska. Wie viel Dirk Bernemann tatsächlich in Gunnar Bäumer steckt, ist spekulativ, da weiß jedenfalls jemand, wovon er schreibt, und schafft es mühelos, seine Leser:innen mitzunehmen auf dieses Fest. Mich lässt er melancholisch und passiv besoffen zurück, der Herr Bernemann, der mit diesem Buch einmal mehr alles richtig gemacht hat. Prost.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und H.C. Roth