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DIE ZEIT DER WILDEN

Sébastien Goethals

Die Graphic Novel „Die Zeit der Wilden“ basiert auf einem Buch des belgischen Autors Thomas Gunzig, das bislang noch nicht den Weg nach Deutschland gefunden hat, wodurch die Vorlage hierzulande nur den wenigsten ein Begriff sein wird. Über die Originaltreue kann hier also erst mal keine Aussage gemacht werden. Die große Kunst von „Die Zeit der Wilden“ ist es, eine Welt zu erschaffen, die unserer nicht unähnlich ist, und in beinah zufälligen Nebensätzen zu erklären, wie es zu so Dingen wie Mensch-Tier-Hybriden kommen konnte, warum man es manchen Menschen (Wölfen?) ansieht und anderen nicht. Dabei schwingt immer eine ganz unverhohlene Kapitalismuskritik mit. Denn während man vier Brüdern, allesamt Mensch-Wolf-Mischwesen, auf ihrem Rachefeldzug gegen einen Supermarktangestellten folgt, welcher dummerweise die Mutter der vier auf dem Gewissen hat, lauert unter der Oberfläche so viel mehr. Auswüchse des Kapitalismus, Genveränderungen an Menschen, Patente auf Tiergene ... Selbst in kleinen Momenten, kleinen Gesprächen, werden die Abgründe dieser düsteren Gesellschaft deutlich, in der sich alles um Produktivität und Gewinnmaximierung dreht. Dass hier kein gesichtsloser Megakonzern als Verkörperung des Bösen herangezogen wird, sondern ein Supermarkt mit deutschen Brüdern an der Spitze – wer könnte da nur Vorbild gewesen sein? –, macht das Ganze noch greifbarer, denn wer von uns geht nicht zum Discounter? Somit sind wir alle Teil des Systems. Aber auch die vordergründige Geschichte überzeugt, selbst wenn sie vieles offen lässt und Protagonisten und Antagonisten eher in Graustufen als in schwarz und weiß zu unterteilen sind. Eine Graphic Novel, die einen noch etwas länger beschäftigt.