RICHTUNG

Marc-Antoine Mathieu

Eigentlich hat dieses Buch keinen Titel. Jedenfalls nicht einen aus Buchstaben zusammengesetzten. Ein Pfeil prangt nicht nur auf dem schneeweißen Einband und Buchrücken, sondern ist auch der heimliche Hauptdarsteller dieses Bands.

Wieder einmal versucht Marc-Antoine Mathieu, sämtliche Regeln des Comics mit einer frei auslegbaren Handlung aufzulösen. Ein Panel pro Seite, keine Sprechblasen, keine Buchstaben, nur ein (menschlicher) Akteur mit Hut und stilisiertem Gesicht.

Sonst Pfeile in allen Varianten: groß, klein, dreidimensional, dick, dünn, weiß, schwarz, verknotet, zerbrochene Pfeile, verschüttete Pfeile, Pfeilmauern, Pfeillöcher, Pfeilbäume, Pfeilberge, Pfeillabyrinthe ...

Dann in der Mitte ein zum Großformat auffaltbares Poster, auf dem nur eine winzig kleine verschlüsselte Pfeilbotschaft (entschlüsselt: „Sie sind hier“ inklusive dem für Orientierungskarten üblichen Punkt und Pfeil) und sonst nur gähnend weiße Leere zu sehen ist.

Unmittelbar darauf folgt eine zweite verschlüsselte Pfeilbotschaft auf einem Bucheinband (öh, wird nicht verraten, so viel Spaß muss sein). Wie immer wird sich die Leserschaft in zwei Lager spalten: Das eine findet Mathieus Vorgehen genial innovativ, hochgradig durchdacht und/oder gekonnt ironisierend auf der Meta-Ebene mit Klischees und Vorgaben spielend.

Das andere ärgert sich maßlos über das hochtrabend pseudointellektuelle Auflösen des ohnehin schon Offensichtlichen. Ja, ein Comic besteht üblicherweise aus mehreren mit Buchstaben und Sprechblasen unterlegten Panels pro Seiten, die in einer konkreten Handlung münden.

Wozu also offene Türen einrennen? Weil man es kann. „Das Absurde hat nur einen Sinn, wenn man es akzeptiert“. Camus verdreht. Surreal? Wohl eher Dada.