Guy Ritchie, Ex-Mann von Madonna, finanziell ausgesorgt hat er spätestens jetzt, als Regisseur leider inzwischen ein echter Problemfall. Sein Regiedebüt LOCK, STOCK AND TWO SMOKING BARRELS definierte 1998 englisches Gangsterkino irgendwie neu, doch schon der Nachfolger SNATCH war nur eine subtilere Form des Recyclings.
Und die totale kreative Bankrotterklärung folgte dann 2002 mit SWEPT AWAY, eine Zeit, als Ritchies Sinne offenbar geblendet waren durch seine Beziehung zur Popqueen. Erst drei Jahre folgte dann REVOLVER, bei dem sich Ritchie auf das Erfolgsrezept seiner ersten beiden Werke besann, zumindest prinzipiell, denn dieser Versuch, einen philosophischen Gangsterfilm zu drehen, ging nach Meinung vieler Kritiker voll in die Hose, sicher auch ein Grund, warum er erst jetzt hierzulande auf DVD erscheint.
Mit Ritchies aktuellem Film ist allerdings keineswegs Besserung eingetreten, denn ROCKNROLLA ist nicht mehr als heiße Luft, ein sinnentleerter Exkurs in Coolness mit einigen amüsanten Episoden und durchaus okayen Darstellern, bei dem man sich fast den tiefenpsychologischen Mumbo Jumbo von REVOLVER zurücksehnt.
Sehr bezeichnend für die Schwäche von REVOLVER ist die Tatsache, dass jegliche Erinnerung an die erste, gar nicht so lange zurückliegende Sichtung des Streifens völlig aus meinem Gedächtnis getilgt war.
Bei erneuter Sichtung kam diese zwar zurück, aber die Geschichte des Spielers Jake Green, der nach sieben Jahren aus dem Knast entlassen wird und Rache an dem Casinoboss Macha (Ray Liotta, in psychotischer Dauererregung, oft nur mit Unterhose bekleidet und von Neonlicht angestrahlt) nehmen will, bleibt ein heilloses erzählerisches Durcheinander aus Rückblenden und Halluzinationen bzw.
Wahnvorstellungen. Dabei findet Green erst spät heraus, wer sein wirklich größter Feind ist („The greatest enemy will hide in the last place you would ever look.“) und der Zuschauer verliert in Folge den Überblick, was daran eigentlich noch real ist.
Einige US-Kritiker vermuteten, dass Ritchie der Einfluss seiner auf kabbalistisch-esoterische Botschaften fixierten Ehefrau offenbar nicht gut bekommen sei, und dieser Mystik-Quark auch der eigentlich nicht uninteressanten Grundidee von REVOLVER den Todesstoß versetzt hätte.
Dass REVOLVER, trotz auch hier vorhandener sehenswerter Einzelszenen, als Gesamtheit nicht funktioniert, merkt man spätestens im Nachspann, als einige Psychologen noch ein paar schlaue Sätze über die Beziehung des Menschen zum eigenen Ich ablassen, quasi als letzter Rettungsstrohhalm zum Verständnis von Ritchies verquasten Experiment, was einen eher amüsiert, als dass es tatsächlich Licht ins Dunkel bringen würde.
Beteiligt war hier übrigens Luc Besson, was ja in der Regel nichts Gutes verheißt. Zumindest kann man Jason Statham in REVOLVER mal mit erstaunlicher Haarpracht bewundern und das ist ja auch schon mal was.
Wem der Film gefallen haben sollte, kann sich zumindest über eine gut ausgestattete Doppel-DVD mit Audiokommentar von Ritchie, deleted Scenes und anderem Bonusmaterial freuen. Ansonsten fällt es leider schwer, eine wirkliche Empfehlung für REVOLVER auszusprechen, denn Ritchie hat sich in den letzten Jahren zu sehr als kreative Eintagsfliege entpuppt, da müsste schon mal wieder ein rundum gelungener Film folgen, der auch ROCKNROLLA ganz sicher nicht ist.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Thomas Kerpen
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