Wenn sich eine Band mit dem Label „Screamo“ versehen lässt oder sich das selbst gibt, werden schnelle Akkordwechsel, Geschrei und viele Rhythmuswechsel erwartet. Dazu finden sich in den Songs nicht selten ruhige Parts, die sanften und verspielten Melodien Raum geben. Diese Leerstellen erhellen die sonstigen Ausbrüche, bereiten darauf vor oder ziehen ein Gefühl über einige Zeit. Mit „Effetto Della Veduta D’Insieme“ legen RADURA ihr erstes Album hin, das nach ihren Split-Platten und EPs einen etwas anderen Schwerpunkt setzt und jene Leerstellen im Screamo unterschiedlich ausweitet. Es findet sich deutlich weniger Geschrei, dafür mehr gesprochene Worte, was nicht nur wegen der italienischen Sprache an LA QUIETE oder RAEIN erinnert, cleaner Gesang sowie Akustikparts. Das klingt nach viel, gibt dem Album jedoch eine Bandbreite, die experimentierfreudig aufzeigt, wie Screamo weitergedacht werden kann. Viele Parts erinnern an bekannte Screamo-Klänge, und dennoch schaffen es RADURA, mit dem Album einen eigenen Weg zu gehen. Das Wagnis wird belohnt und zeigt, dass „Der Überblick-Effekt“, so die ungefähre Übersetzung des Albumtitels, einen Überblick über verschiedene Spielarten des Screamo bietet und dennoch als Ganzes wunderbar funktioniert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #159 Dezember 2021 /Januar 2022 2021 und David Gabriel