Um die gute Nachricht vorwegzunehmen, es gibt sie noch, die Freiräume für eine thematisch vielfältige linke politische Gegen- also Protestkultur in Russland, auch nach dem Überfall Putins auf die Ukraine. Aber diese Freiräume werden zunehmend enger, sind massiv bedroht. Die non-konformen Kulturschaffenden stehen seit dem Angriffskrieg verstärkt unter enormen Repressionsdruck. Viele, die trotzdem nicht schweigen wollen, werden ins Exil gezwungen oder müssen sich darauf beschränken, lokale Strukturen durch subversives Agieren in geschützten Räumen aufrechtzuerhalten. Wirken im kleinsten Kreise also ist angesagt, statt Reichweite zu generieren. So lautet das wohl optimistisch zu nennende Fazit von Norma Schneider, die in ihrer informativen und leicht zugänglich geschriebenen Reportage „Punk statt Putin“ differenzierend in die aktuellen Bedingungen für linke Kulturproduktion und deren gesellschaftliche Interventionsmöglichkeiten am Beispiel des Musik- und Literaturbetriebs in Russland einführt. Hierfür wertet Schneider schlaglichtartig frei zugängliche Informationen (Printmedien, Online-Ressourcen sowie Veröffentlichungen der Künstler:innen) und einzelne selbst geführte Interviews aus. Schneider skizziert in acht vielfach untergliederten Kapiteln zunächst Putins Ideologie beziehungsweise das politische System in Russland im Wandel der jüngsten Zeit und betont die Bedeutung staatlicher Kulturpolitik als Propaganda-Instrument und Herrschaftsmittel. Vor dieser Folie erörtert sie nüchtern urteilend die Forderungen, Perspektiven und Grenzen von mal mehr und mal weniger prominenten Akteur:innen linker Gegenkultur(en).
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #169 August/September 2023 und Salvador Oberhaus