Was gibt es Schöneres für eine Firma, als wenn man seiner Kundschaft dasselbe Produkt immer und immer wieder andrehen kann, vor allem, wenn es sich dabei auch noch um ein neues Medium handelt. Und so lautet das magische Verkaufsargument bei Blu-ray „höhere Auflösung“, natürlich nur in Verbindung mit LCD- und Plasma-Bildschirmen.
So richtig akzeptiert hat die breite Masse das Medium Blu-ray allerdings noch nicht, es herrscht wohl doch noch eine größere Skepsis vor, als angenommen, zumal ja manches Label noch nicht mal in der Lage ist, die Möglichkeiten der DVD voll auszuschöpfen, sei es aus Dummheit, oder weil einfach kein vernünftiges Master aufzutreiben ist.
Und so ist Blu-ray natürlich in erster Linie das Medium der großen Studios, die neue Blockbuster in technischer Hinsicht bereits darauf zuschneiden können oder das Know-how und Geld besitzen, auch alte Filme einer aufwändigen digitalen Restaurierung zu unterziehen.
Aber wenn man sich etwa die Diskussion anschaut, die wegen des neuen HD-Masters von PREDATOR entbrannte – selbiges gilt auch für Dario Argentos SUSPIRIA –, ist man schon etwas verunsichert, wem man nun glauben soll: den blind Technikhörigen, für die jedes Staubkorn ein Makel ist, oder den wahren Filmliebhabern, für die solche Defekte eben auch zum Filmerleben dazu gehören.
Denn irgendwann ist dort eine bestimmte Grenze überschritten und man beginnt, in entstellender Weise Kunstwerke der Filmgeschichte zu verändern – an einem van Gogh pinselt ja man auch nicht noch nachträglich rum.
Bei Alfred Hitchcocks Meisterwerk PSYCHO stand jetzt jedenfalls der 50. Jahrestag an und so bescherte man auch diesem wegweisenden Klassiker ein Blu-ray-Update. Und wenn man die Blu-ray mit älteren DVD-Versionen vergleicht, ist man doch erstaunt, was man aus so einem alten Film in Sachen Kontrastreichtum und Schärfe herausholen kann, ohne andere wichtige Bildinformationen zu beschädigen.
Hinzu kommt hier eine lange Liste von Bonusmaterial und ein umfangreiches Booklet, die PSYCHO definitiv zu einer Vorzeige-Blu-ray machen und diesen Klassiker in neuem Licht erstrahlen lassen.
Was ja nicht ganz selbstverständlich ist, wenn man etwa sieht, welcher Müll inzwischen auch auf diesem Medium veröffentlicht wird. Zum Film selbst braucht man wohl nicht mehr viel zu sagen, eines der besten Werke von Hitchcock, neben DIE VÖGEL und DER UNSICHTBARE DRITTE, versehen mit einem fantastischen Score von Bernard Herrmann, der basierend auf einem Roman von Robert Bloch in gewisser Weise das Horror-Genre revolutionierte.
Denn bis dahin kam der Horror meist von außen in Form von Monstern und Außerirdischen, doch in PSYCHO geht es um die inneren Monster, die quasi in jedem schlummern und aus einem etwas kauzigen Motel-Betreiber einen irren Killer in Frauenklamotten machen („She just goes a little mad sometimes.
We all go a little mad sometimes. Haven’t you?“). In psychologischer Hinsicht mag PSYCHO vielleicht nicht immer völlig glaubwürdig sein, aber dennoch hat Anthony Perkins’ Verkörperung von Norman Bates die bis dahin bekannte strikte Trennung zwischen Gut und Böse – selbst bei Stevensons „The Strange Case of Dr.
Jekyll and Mr. Hyde“ ist diese ja präsent – im Genrekino komplett über den Haufen geworfen. Ganz zu schweigen von der legendären, unzählige Male zitierten Duschszene mit Janet Leigh. Mit dieser beginnen allerdings auch die Probleme von PSYCHO, denn in den USA, England, Norwegen oder Neuseeland wurden von den Zensurbehörden über die Jahre unterschiedlichste Dinge beanstandet, weswegen der Rechteinhaber Universal offenbar in Heimkino-Zeiten ein weltweit vermarktbares Master erstellte.
Vergleicht man dieses mit alten deutschen Fernsehausstrahlungen fehlen ungefähr 14 Sekunden, was natürlich zu verschmerzen ist, allerdings fragt man sich, warum es nicht inzwischen möglich ist, PSYCHO ohne diese alten Zensurmaßnahmen zu veröffentlichen? Das mag in erster Linie die Erbsenzählerei von Filmnerds zu sein, denn ein komplett anderer Film wird PSYCHO mit oder ohne diese paar Sekunden auch nicht.
Ein für Hitchcock-Verhältnisse kostengünstig in Schwarzweiß gedrehter Exploitation-Quickie, der zu einem der meist zitierten Meisterwerke der Filmgeschichte wurde und diesen Ruf immer noch zu Recht genießt, denn PSYCHO lässt sich immer wieder mit großem Genuss anschauen.
Und diese Plastikduschvorhänge habe ich sowieso schon immer gehasst, aber vielleicht hat Hitchcocks Film da ja eine Art Kollektiv-Trauma ausgelöst. Erstaunlicherweise entstanden danach mit PSYCHO II-IV sogar noch recht akzeptable Sequels, in denen Perkins nach wie vor Norman Bates spielt, aber über Gus Van Sants blödsinniges 1:1-Remake von 1998 hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Thomas Kerpen
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