Der König ist tot, lang lebe der König! Im vergangenen Dezember verstarb Rowland S. Howard in Melbourne an Leberkrebs. Howard hinterlässt wie kein anderer australischer Gitarrist ein Lebenswerk, das seinesgleichen sucht.
Er erschuf den stilprägenden Sound und Punk-Blues von Bands wie THE BIRTHDAY PARTY und CRIME & THE CITY SOLUTION. Doch in diesen Bands blieb seine wahre dunkle und aufgewühlte Seele meist hinter deren prägenden Sängern Nick Cave und Simon Bonney zurück.
Dies änderte sich bei seinen beiden Soloalben „Teenage Snuff Film“ (2000) und eben bei „Pop Crimes“, die dem Hörer schonungslos die Facetten und Desillusionierungen von gescheiterten Beziehungen, sinistrer Romantik und kompromissloser Selbstauszehrung vor Augen führen.
Howard filtert nicht, schont sich selbst nicht, nicht für einen Moment, sondern bricht mit seinen Innersten direkt nach außen. Die Zeile im Titelsong „Pop Crimes“ legen den Stand der Dinge offen: „I guess that I won’t see you tomorrow / On this, our planet of perpetual sorrows“, als hätte er eine klare Ahnung dessen, was ihm bevorstünde.
Das wunderbare „Shut me down“ ist eine tiefschwarze und romantische Ballade, getragen von einer Textur aus Howards Desperado-Gitarre und Streichern, in der er fast tranceartig die Zeile „I miss you so much, to shut me down“ singt, nein, fast verloren diese Zeile ungehört in einen leeren Raum mit fiebriger Stimme haucht, nachdem er den letzten Zug an der stets griffbereiten Zigarette genommen hat.
Der Geist von Lee Hazelwood und der THE SHANGRI-LAS lebt in fast jedem der Songs. Das Album enthält mit „(I know a girl called) Jonny“ ein großartiges Duett mit Jonnine Standish von HTRK (HATEROCK), das ein wenig an den düster-erotischen Dialog von Howard mit Lydia Lunch in „Some velvet morning“ erinnert, wenn Howard in Lee Hazelwood-Manier die Zeile „She’s my narcotic lollipop“ singt und Jonnine Standish mit ihrem an Nico erinnernden lasziven Tonfall antwortet: „I put my fingers in his mouth.“ Auch hier schwebt der destruktive und verlorene Tonfall Howards über jeder Zeile des Songs.
„Pop Crimes“ glänzt mit zwei Coverversionen, zum einen TALK TALKs „Life’s what you make it“, mit einem schleppenden und schweren Bass versehen, wobei sich der durchaus positive Duktus des Originals bei Howard in ein fast bedrohlichen Moment des persönlichen Scheiterns dreht, und zum anderen ein Cover von „Nothin’“, ein bitteres Lamento, im Original von Townes Van Zandt.
Den Australien-Release des Albums „Pop Crimes“ hat Rowland S. Howard nur ein paar Monate überlebt, er starb am 30.12.2009. In Bands wie den THE HORRORS und den DEVASTATIONS wird der Geist von Howard in Fragmenten weiterleben, aber die Welt ist um einen außergewöhnlichen Menschen und Musiker ärmer geworden, der fernab einer großen medialen Aufmerksamkeit, die eindringlichsten und authentischsten Songs geschrieben hat, die niemals ihren dunklen Glanz verlieren werden: All sparks will burn out in the end.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #90 Juni/Juli 2010 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #150 Juni/Juli 2020 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #149 April/Mai 2020 und Markus Kolodziej