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PINOCCHIO

Winshluss

Pinocchio? Ja, ja, kennen wir, ein weiterer Comic, eine weitere Verfilmung desselben Stoffs, gähn! So kann man sich irren. Der französische Zeichner Winshluss hatte keinen geschnitzten naiven Holzkopf im Sinn, als er sich für seine hierzulande 2009 das erste Mal veröffentlichte Adaption vor sein Zeichenbrett setzte, sondern vielmehr einen kleinen Roboter, der dem Geiste eines Rüstungsingenieurs entsprungen ist. Die gute Grille ist eine Kakerlake, und an die Vorlage hält man sich glücklicherweise ohnehin nicht im Geringsten, damit ist ja auch schon alles erzählt, inklusive Happy End. Nein, Winshluss, dessen dreckiger Zeichenstil an eine Mischung aus Reiser und Vuillemin erinnert, liefert eine andere Vision, die ganz in der trostlosen Tradition der beiden genannten Zeichenpaten steht, die andere, die dreckige Seite. In mehreren scheinbar losen Kurzgeschichten und ein paar längeren, wird erzählt, was abseits der heilen Disney-Welt passiert, um sich am Ende zusammenzufügen. Sieben Fickzwerge, die unbefriedigte Frau des Ingenieurs, die sich über Pinocchios Nase hermacht, die dummerweise ein Flammenwerfer ist, ein Landstreicher, der seinen erblindeten Bruder für eine Kippe verkauft, der Roboter, der an eine Kinderfabrik verkauft wird ... Keine „schönen“ Geschichten, aber davon haben wir ja auch schon genug. Die meisten Storys kommen gänzlich ohne Text aus und funktionieren ebenso gut wie die mit. Ein großer Spaß für alle, deren Humor auch mal neben der korrekten Spur läuft, wobei das Leben ja exakt so funktioniert. Inklusive großem Zitatenschatz, sofern man ihn entschlüsseln kann, was ich in Gänze für eine echte Herausforderung halte. Nach der Lektüre wird man den Holzwurmbub nie wieder mit denselben Augen sehen, schon dafür lohnt es sich.