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PASSION & POETRY - THE BALLAD OF SAM PECKINPAH

Eine jüngere Generation von Filmguckern wird sich wahrscheinlich inzwischen fragen, wer denn dieser Sam Peckinpah schon wieder sei. Zumindest verweist darauf, wenn Möchtegernfilmkritiker in Rezensionen den aus Hong Kong stammenden Regisseur John Woo als Erfinder von Zeitlupen-Actionsequenzen bezeichnen, denn Woos großes Vorbild war ganz klar Sam Peckinpah (neben Jean-Pierre Melville oder Martin Scorsese).

Aber da Peckinpahs letzter Film THE OSTERMAN WEEKEND 1983 entstand und der gesundheitlich zu dieser Zeit eh schon stark angeschlagene Regisseur ein Jahr später im Alter von 59 viel zu früh verstarb, muss man für solche Wissenslücken wahrscheinlich Verständnis haben.

Peckinpahs großes Problem war zeitlebens sowieso, dass seine Filme wenig erfolgreich waren und er dementsprechend ständig im Clinch mit Produzenten und Filmfirmen lag, die seine Werke umschnitten oder zensierten und damit oft zerstörten, vor allem betraf das MAJOR DUNDEE (1965), THE WILD BUNCH (1969) und PAT GARRETT AND BILLY THE KID (1973).

Wobei er kein ganz einfacher Mensch war, was sich durch zu viel Alkohol und Drogen in späteren Jahren nicht gerade besserte. Inzwischen ist Peckinpah zumindest postum etwas Gerechtigkeit widerfahren, und Filme wie STRAW DOGS (1971), THE GETAWAY (1972) oder BRING ME THE HEAD OF ALFREDO GARCIA (1974) gelten als Klassiker des modernen amerikanischen Kinos.

Dabei hat Peckinpah vor allem den Ruf eines extrem gewaltverliebten Regisseurs, was ihm mit THE WILD BUNCH auch einen längeren Eintrag in John McCartys Standardwerk „Splatter Movies - Breaking the Last Taboo of the Screen“ von 1981 einbrachte, denn zuvor hatte noch nie jemand in so expliziter Form Ein- und Austrittswunden von Schussverletzungen in einem Kinofilm dieser Größe gezeigt.

Man übersieht dabei aber oft, dass Peckinpah auch ganz anders konnte, und so sind etwa THE BALLAD OF CABLE HOGUE (1970), JUNIOR BONNER (1971) und auch PAT GARRETT AND BILLY THE KID in erster Linie ein poetischer Abgesang auf die klassischen Mythen des Westerngenres ohne spektakuläre Gewaltexzesse.

Viel eher könnte man ihm Männlichkeitswahn und Frauenfeindlichkeit vorwerfen, wie in der umstrittenen Schlüsselszene von STRAW DOGS, als Susan George vergewaltigt wird und offenbar auch noch Spaß daran hat – neben albernen Faschismus-Vorwürfen, was seine Art der Gewaltdarstellung anging.

All diese Kontroversen führten schließlich dazu, dass er in seinen letzten Lebensjahren kaum noch Arbeit als Regisseur fand, denn wer wollte schon mit einem Misanthrop und Alkoholiker zu tun haben, dessen Filme obendrein noch Kassengift waren.

Betrachtet man Peckinpahs Werk aber rückblickend, hat es Ende der 60er bis Mitte/Ende der 70er Jahre in den Staaten wohl kaum einen besseren Regisseur gegeben, auch wenn diese Einsicht mal wieder viel zu spät kommt.

Ein spannendes Sujet also, denn Peckinpah umgibt die Aura des verkannten, tragischen Genies, was bereits recht erfolgreich in der TV-Doku SAM PECKINPAH: MAN OF IRON von 1992 thematisiert wurde.

Noch wesentlich tiefgreifender beleuchtet der Sindelfinger Mike Siegel in seiner knapp zweistündigen Doku PASSION & POETRY - THE BALLAD OF SAM PECKINPAH, die inzwischen auf DVD erschienen ist, das Leben dieser Regie-Ikone, zu der es auch einen begleitenden gleichnamigen Bildband gibt.

Siegel, der sich schon länger mit Peckinpah beschäftigt und als Sammler und Autor im Filmbereich aktiv ist, hat mit PASSION & POETRY eine echte Fleißarbeit zustande gebracht, vollgestopft mit Interviews mit zahlreichen Wegbegleitern Peckinpahs, darunter James Coburn, David Warner, Ali MacGraw, Katy Haber, Ernest Borgnine, Kris Kristofferson, Senta Berger und vielen anderen, neben Filmausschnitten und Archivmaterial über die damaligen Dreharbeiten.

Umfassend, aber natürlich mit Mut zur Lücke umgesetzt, denn es gäbe hier sicher noch andere Leute, deren Meinung zu Peckinpah interessant gewesen wäre, wie etwa ein Dustin Hoffman. Und als Erzähler konnte Siegel Monte Hellman gewinnen, den Regisseur von TWO-LANE BLACKTOP, auch so ein verkannter Kultklassiker.

Dabei kommt Siegel (eine gewisse Ironie des Schicksals steckt bereits im Namen des Sindelfingers, wenn man bedenkt, dass Don Siegel der Mentor Peckinpahs war) sowohl dem Werk als auch dem Menschen dahinter kritisch und analytisch wirklich näher, jemand der gleichermaßen abstoßend und bemitleidenswert war, an sich eine recht schüchterne Persönlichkeit, aber von seiner Umwelt missverstanden, woran er in gewisser Weise auch zerbrach.

Angesichts der Widerstände, mit denen Peckinpah zeitlebens zu kämpfen hatte, ist es sowieso verwunderlich, wie er es überhaupt auf so viele Filme gebracht hat – wahrscheinlich, weil er das Kino einfach ohne wenn und aber von ganzem Herzen geliebt hat.

Wer mehr über diesen grandiosen Regisseur erfahren will, kommt an dieser Dokumentation kaum vorbei, die Siegel quasi im Alleingang auf DVD herausgebracht hat, ergänzt um einen Audiokommentar von ihm und einer Bonus-DVD, auf der sich noch weitere Interviews finden lassen.

Neben Featurettes über die Drehorte von THE WILD BUNCH und Siegels andere Aktivitäten Peckinpah betreffend, der ja auch an der Produktion der STRAW DOGS-DVD von EuroVideo beteiligt war, ebenso wie an einer Dokumentation über MAJOR DUNDEE für Sony Pictures.

Also quasi: Was Sie schon immer über Sam Peckinpah wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Ein wahrer „Labor Of Love“, sehr schön!