OWEN

I Do Perceive CD

Der Tag meiner mündlichen Magisterprüfung: Auch wenn ich mich mit dem Prüfungsverlauf im Nachhinein noch anfreunden musste, war ich endlich durch mit dem Studium. 16.12., halb vier. Freunde holen mich vom Prüfungsraum ab, ich trinke ein stilgerechtes und dem Anlass entsprechendes Pils im Uni-Café.

Wir sitzen und lachen, verabreden uns für den Abend - schön rocken - und ich bin ein wenig fassungslos. Sieben Jahre Studium in Bremen, das Praktikum Anfang Januar in Berlin wartet schon, was dann kommt, weiß ich auch nicht.

Aber eins ist soweit klar: Dinge gehen zu Ende. Freunde beenden ihr Studium, verlassen die Stadt, ob man so wieder zusammenkommt? Irgendwie sicher. Die Dauerkarte gilt noch die ganze Saison.

Aber trotzdem: An diesem Tag kam das alles zusammen, was sich veränderte. Natürlich will ich feiern, trinken, tanzen und einfach ausgelassen sein, aber nachdem ich ein wenig zu Haus gesessen habe in der Ruhe und es draußen dunkel wird, zieht es mich noch einmal raus.

Lernsachen zu einer Freundin zu bringen ist ein willkommener Vorwand um noch einmal durch die Stadt und im Grünen zu spazieren. Ich schwebe, habe es noch nicht richtig kapiert, freue mich, bin traurig, die Welt steht mir offen und verschließt sich gleichzeitig.

Ich bin keiner, der sich lachend in jede Unsicherheit wirft. Noch kurz die Post kontrolliert und, als hätte es jemand für mich geplant, wartet die neue OWEN auf mich - was für ein Timing! Mit Mike Kinsellas dritten Longplayer im Ohr ziehe ich also durch Bremer Strassen und Grünanlagen und eine bessere Untermalung könnte ich mir nicht wünschen.

Wieder schwelgt, sehnt, singt sich Mike durch seine halbakustischen Kleinode und überrascht durch clevere Arrangements (Allein für den smoothen Rythmuswechsel in "Note to self:" könnte ich in die Knie gehen).

Dass er mit jemandem, genauer gesagt mit seinem Cousin Nate Kinsella (u.a. JOAN OF ARC), zusammengearbeitet hat, zeigt schon die Richtung der Platte an. Sie fällt nicht ganz so introvertiert aus wie die Vorgänger, bleibt dabei aber immer noch so sympathisch und leise - auch wenn bei den Gitarren mal Distortion dazugeschaltet wird.

Vielleicht wurde das Album diesmal nicht im Schlafzimmer sondern im Wohnzimmer aufgenommen. Wieder kommen die RED HOUSE PAINTERS in den Sinn, die sich mit "Ocean Beach" aus der Depri-Ecke verabschiedeten und Platz für immer noch gedämpft gehaltene, aber weniger dramatische Songs machten.

Wieder zurück in die abendliche Hansestadt: Ich höre die schönen, leicht entrückten Songs, höre die kleinen Umbrüche und fühle mich perfekt aufgehoben. Ich bin wehmütig, unsicher und ich lächle.

(45:13) (8)