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OH OH MYTHOMANIE – Erlebtes, Erinnertes & Erlogenes

Françoise Cactus

Françoise Cactus zog es in den Achtzigern von Burgund in das noch ummauerte West-Berlin. Ein spannender Weg fing an: die Band LOLITAS, Hausbesetzungen, Arbeit bei der taz und Radio 1 und vor allem STEREO TOTAL. Sie gehörte zu Berlin wie die von ihr geliebten Orte, wie SO36, Bierpinsel ... Nach ihrem viel zu frühen Tod im Jahr 2021 fanden Freunde einen großen Nachlass an Texten, die so gut sind, dass eine Veröffentlichung beschlossen wurde. Texte, Fotos, Zeichnungen und auch der Roman, an dem sie gearbeitet hatte, sind jetzt in diesem wunderbaren Buch mit dem Titel „Oh Oh Mythomanie“ erschienen. Der bezieht sich darauf, dass Françoise es bezogen auf Alter und Lebensdaten nicht unbedingt genau nahm mit der so genannten Wahrheit. Selbst ihr Partner Brezel Göring (Vorwort, zweites Mitglied von STEREO TOTAL) wusste nie, wie alt sie ist. Der (musikalische) Horizont von Françoise ist prima und groß, zu merken unter anderem bei zwei aufeinanderfolgenden Texten. Erstens die Geschichte von der gebrochenen Rippe beim Punk-Pogo im SO36, zweitens ihr Nachruf auf die Chanson-Pop-Sängerin France Gall. Der Roman erzählt von Charlotte, Helena und Oskar, die in den gleichen verführerischen Typ verliebt sind, was alle Beteiligten verändert. Gab es bei Pasolini in weniger lustig, hier wird als Reaktion ein Super-8-Trash-Film gedreht. Die eigene Bio flirtet mit Erfindungsreichtum., Wortwitz und bildhafte Sprache sind toll. Einzelne Szenen und Sätze sind so lustig, dass ich ab und an eine Pause brauchte, um sie nachwirken lassen. Die „Botschafterin für französischen Akzent“ formulierte politisch und feministisch, vermittelte aber stets ein positives Gefühl und menschenfreundlichen Humor.