Vor ein paar Monaten war Dietlind Falk, die bei THEILEN singt, wenn sie nicht die Bücher anderer ins Deutsche übersetzt oder an einem eigenen Roman schreibt, auf Lesetour zu Besuch in Solingen. Sie begann mit dem ersten Kapitel von „No Regret“ (das ich da noch nicht gelesen hatte und erst an diesem Abend zugesteckt bekam) und ich war schon nach ein paar Minuten respektive Seiten angetan. Mein Problem ist: gar nicht so wenige punksozialisierte Menschen meinen schreiberisches Talent zu haben. Gar nicht so wenige gar nicht mal so gute Bücher sind die Folge. Dass das bei Falk anders ist, weiß man seit 2017 und „Das Letzte“, einer Geschichte über eine junge Frau mit eher schwieriger Biografie. Man spürte da schon, dass Falk nah dran an ist an realen Vorbildern ihrer Charaktere und daraus deren Lebendigkeit entsteht. Genauso ist es auch hier: Hänk und Muddy waren einst in der namenlosen abgerockten Ruhrgebietsstadt Pioniere mit ihrem Tattoostudio No Regrets, doch der Ruhm jener Jahre ist vorbei, die damaligen Kämpfe um Anerkennung und gegen Vorurteile bedeuten nichts mehr. Jetzt sind da nur zwei fertige, missgünstige Typen mit Alkoholproblem ... und die junge Tätowiererin Luz sowie Rudi, der auch im Laden geduldet wird. Dietlind Falk stellt die Konflikte zwischen alteingesessenen Szenehasen und „den Neuen“ sehr gut da, man spürt, wie genau sie zugehört und recherchiert hat, in der Tattoo- wie wohl auch der (Punk-)Musikszene. „No Regrets“ ist zwar durchaus mit Ruhrpott-Lokalkolorit gewürzt, aber nie anbiedernd oder spöttisch, sondern fast schon reportagehaft beschreibend, eine Milieustudie. Man könnte sich das Ganze auch als Film vorstellen, ich habe als Vorbild „Smoke“ im Sinn, nach dem Drehbuch von Paul Auster ...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Joachim Hiller