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NEUE DEUTSCHE WELLE (33 1/3)

Claudia Lonkin

Als Deutscher festzustellen, wie die Wahrnehmung von deutscher Musik im Ausland ist, ist meist befremdlich. In Turkmenistan kannte man überall MODERN TALKING, in den USA wurde man seit Mitte der 1990er permanent auf RAMMSTEIN angesprochen, die SCORPIONS kennt jeder, KRAFTWERK eher Eingeweihte, und ohne britische Musiknerds würde niemand von Krautrock reden oder den überhaupt noch/wieder hören. Und dass in den 1980ern 7 SECONDS „99 red balloons“ von NENA coverten, war der Tatsache geschuldet, dass deren 1983er Überhit 1984 in einer englischen Version weltweit veröffentlicht wurde. Damals lag die Neue Deutsche Welle (NDW), vom Underground-Phänomen zum Marketing-Tool der Majorlabels mutiert, in den letzten Zügen, und ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, dass sich irgendwer in den USA ernsthaft für dieses Thema interessieren könnte. In der „Genre“-Subreihe der „33 1/3 Series“ von Bloomsbury nimmt die (ausweislich der Fußnoten der deutschen Sprache mächtige) US-Historikerin Claudia Lonkin sich des Phänomens an, und man merkt spätestens bei den „10 Essential Tracks“ am Schluss (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, GRAUZONE, FEHLFARBEN, MALARIA!, DAF ...), dass hier bei aller sehr exakten Kontextualisierung und Beschreibung der damaligen gesellschaftlichen und politischen Umstände durchaus ein gewisser Fokus auf den „guten“ NDW-Bands liegt. Das kleine, aber umfassende Buch ist wissenschaftlich exakt, primär für ein englischsprachiges Publikum gedacht, würde aber auch für eine U40-Leserschaft in deutscher Übersetzung Sinn ergeben, weil sehr analytisch viel Grundsätzliches zum Thema abgehandelt wird und hierbei durchaus der Blick aus der Distanz hilft. Auch die Autorin dürfte der Generation U40 angehören.