THE RUNAWAYS waren eine der ersten Girl-Rockgruppen. Sie wurden 1975 von Sandy West und Joan Jett gegründet, die es schafften, den standesgemäß zwielichtig-durchgeknallten Produzenten Kim Fowley auf sich aufmerksam zu machen. Brave Mädchen allerdings wurden damals höchstens Popsternchen, nicht Rockmusikerin, das war Jungssache – was die beiden jugendlichen Gründerinnen sowie ihre Mitstreiterinnen Lita Ford, Jackie Fox und Sängerin Cherie Currie allerdings anders sahen. Vor dem Hintergrund wenig glücklicher Familiensituationen, Drogenge- und missbrauch und Teenagerproblemen stellte sich dennoch bald Erfolg ein, die RUNAWAYS wurden zu Rockstars. 1976 erschien ihr titelloses Debütalbum auf Mercury Records, dem mit „Queens Of Noise“, „Waitin’ For The Night“ (beide 1977) und „And Now ... The Runaways“ (1978) drei weitere folgten, bevor sich die Band im Streit trennte. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Band zu weltweiten Stars (speziell in Japan wurden sie gefeiert, siehe das Album „Live In Japan“), positionierte sich zwischen Glam-, Hard- und Punkrock und hatte mit dem Debütalbum-Opener „Cherry bomb“ (geschrieben von Fowley und Jett) einen ersten Hit. Bis heute hat der nichts an Durchschlagkraft eingebüsst, aber auch der Rest des Albums ist mit Songs wie der VELVET UNDERGROUND-Nummer „Rock & Roll“ oder „American nights“ erstaunlich gut gealtert. THE RUNAWAYS wurden, auch durch die Emanzipierung von Fowley, zu Vorbildern der Riot Grrrl-Bewegung, genau wie Joan Jett, die bis heute mit ihrer Band THE BLACKHEARTS empowernd durch die Lande tourt. Die Sicht auf Fowley hat sich seit dessen Tod 2015 deutlich geändert, unter anderem Kari Krome, die als junge Frau bei den RUNAWAYS involviert war, beschuldigte ihn sexueller Übergriffigkeit in jener Zeit. Es scheint damals in den Mittsiebzigern ein toxisches Klima gewesen zu sein, in dem Männer jenseits der dreißig mit Macht in der Rockmusik diese Position gegenüber minderjährigen Frauen – euphemistisch ausgedrückt – „ausgenutzt“ haben. Diese Tatsache kann nicht ausgeblendet werden in der Betrachtung der RUNAWAYS, deren vier legendäre Alben (speziell die ersten beiden sind Klassiker) sowie das Japan-Live-Album von Cherry Red nun in Form einer 5CD-Kartonbox (erneut) neu aufgelegt wurden. Das Booklet wurde zwar für diesen 2023er-Release geupdatet, vermeidet aber Hinweise auf Fowleys zwielichtige Rolle und belässt das N-Wort in einem zeitgenössischen Fowley-Zitat. Hier wäre mehr Fingerspitzengefühl gefragt gewesen. Die Punktzahl bezieht sich rein auf die popkulturelle Bedeutung der Platten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #122 Oktober/November 2015 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #171 Dezember 2023/Januar 2024 2023 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #122 Oktober/November 2015 und Joachim Hiller