MOEBIUS-COLLECTION

Moebius

Im März letzten Jahres verstarb mit Moebius aka Jean Giraud aka Gir einer der ganz großen europäischen Comiczeichner, dessen Arbeiten auch international großen Einfluss hatten. 2007 entstand noch zu Lebzeiten eine interessante Doku namens „Moebius Redux“, und somit die letzte Möglichkeit, den Mann in seinem Arbeitsumfeld zu erleben.

Letztendlich blieb Moebius auch darin so mysteriös und undurchschaubar, wie es viele seiner Arbeiten waren, die er unter diesem Pseudonym schuf. Bevor Giraud 1963 das erste Mal zu Moebius wurde, erfreute er sich allerdings bereits großer Beliebtheit als Illustrator von erfolgreichen Western-Comics, die im Comic-Magazin „Pilote“ veröffentlicht wurden (wo auch „Asterix“ zuerst erschien), allen voran die Serie „Leutnant Blueberry“, die 1989 mit dem Tod von Autor Jean-Michel Charlier ihr Ende fand.

Aber erst 1974 erwachte die Schaffenskraft von Giraud unter dem Namen Moebius so richtig, als er zusammen mit Zeichner Philippe Druillet und Autor Jean-Pierre Dionnet sowie Bernard Farkas das Comic-Magazin „Métal Hurlant“ gründete, das einige Jahre später mit „Heavy Metal“ ein amerikanisches Pendant erhielt, und ab 1980 gab es dann auch eine deutsche Version namens „Schwermetall“.

„Métal Hurlant“ verschrieb sich dabei im weitesten Sinne den Genres Fantasy, Science Fiction und Horror, ließ sich aber kaum mit amerikanischen Vorbildern wie den blutrünstigen, aber klassischen Erzählmustern folgenden EC Comics aus den Vierzigern und Fünfzigern vergleichen.

Vor allem Moebius löste sich mit experimentellen Erzähltechniken radikal von den Vorgaben mainstreamiger Comics und ließ die Aufbruchsstimmung und Politisierung der Siebziger in seine Arbeiten einfließen.

Sicherlich nicht unbeeinflusst von der surrealistischen Technik des automatischen Schreibens, entwickelte sich bei Moebius ein automatisches Zeichnen, ohne zu wissen, wohin ihn eine bestimmte Geschichte führen würde.

Und so stellen gerade seine Frühwerke, wie die alptraumartige Urlaubsreise in „Der Umweg“ oder ab 1976 dann „Die hermetische Garage des Jerry Cornelius“ mit dem Protagonisten Major Grubert, für unvorbereitete Leser immer noch eine echte Herausforderung dar.

Denn Moebius hat hier in künstlerischer Hinsicht sämtliche Fesseln abgeschüttelt und verliert sich in verschachtelten, widersprüchlichen und rätselhaften Geschichten, die selten einen wirklichen Abschluss haben und auch sein Interesse für spirituelle Themen widerspiegeln.

Gemeinsam ist all diesen Arbeiten, dass Moebius inmitten der bizarren futuristischen Settings nie seine Faszination für die Wüstenlandschaften Mexikos verlor, die er 1955 bei einer ersten Mexiko-Reise kennen lernte – dort lebte damals seine Mutter – und die natürlich bei „Leutnant Blueberry“ noch eine größere Rolle für die Gesamtatmosphäre spielten.

Bereits Ende letzten Jahres erschien bei Cross Cult eine siebenbändige Moebius-Collection mit den Titeln „Arzach“, „Die hermetische Garage“, „Der Mann von der Ciguri“, „Die blinde Zitadelle“, „Zwischenlandung auf Pharagonescia“, „The Long Tomorrow“ und „Die Ferien des Majors“.

Bei „Arzach“ und „Die hermetische Garage“ handelt es sich allerdings um Neuauflagen der ursprünglich schon 2011 veröffentlichten Bände. Eine recht umfassende Sammlung seiner Geschichten von den Siebzigern bis in die Neunziger, inklusive ausführlicher Vorworte des Zeichners bei den meisten Bänden.

Zeichnerisch ist Moebius eigentlich in all seinen Phasen ein visionäres Genie geblieben, seine besten Arbeiten, wie der langlebige „John Difool“-Zyklus, entstanden allerdings meist in Zusammenarbeit mit ähnlich ausdrucksstarken Szenaristen.

Und so ist man als Leser einer erzählerischen Achterbahnfahrt ausgesetzt, die im schlimmsten Fall unverständlich und pointenlos ausgeht, oder aber sehr clever und selbstironisch Genrekonventionen auf den Kopf stellt.

Auf jeden Fall wohnt man der Genese eines revolutionären Künstlers bei, an dem sich die Geister wie so oft scheiden werden, und der beim intellektuell-elitären Ausloten der Grenzen des Erzählens auch schon mal den Überblick verlor.