Man möchte dem Panini Verlag ja nicht Unrecht tun oder ihm irgendwie Anspruchslosigkeit vorwerfen, aber man hätte einen Comic wie „Marzi“ doch eher im Programm von Carlsen oder Reprodukt vermutet, denn dieses niedliche Mädchen mit den Kulleraugen und dem Stoffhasen auf dem Cover wirkt innerhalb eines von Superhelden dominierten Programms wie ein Fremdkörper.
Auf den zweiten Blick besitzt dieses Titelmotiv allerdings doch eine recht martialische Komponente, denn die titelgebende, gar nicht glücklich dreinschauende Marzi steht vor einer Gruppe mit Schlagstöcken und Schutzschilden ausgestatteten Polizisten.
Eine sehr aussagekräftige Coverillustration für den Comic des Franzosen Sylvain Savoia, der darin die Kindheit seiner in den Achtzigern in Polen aufgewachsenen Lebensgefährtin Marzena Sowa aufgearbeitet hat.
Ähnlich wie „Persepolis“ von Marjane Satrapi also ein autobiografischer Comic, der in kindlich-naiv anmutenden Bildern teils recht humorvolle, aber auch sehr ernste Episoden aneinanderreiht.
Denn das Leben zu dieser Zeit in Polen war geprägt von der kommunistischen Diktatur und dem Katholizismus. Die geschilderten Zustände unterscheiden sich dabei nicht wesentlich von denen, die man aus der DDR kennt, zwischen Schlangestehen für Lebensmittel und dem sich langsam regenden Widerstand.
Dass „Marzi“ trotz der entbehrungsreichen Lebensumstände und thematisierten sozialen Spannungen eine überraschend witzige Angelegenheit bleibt, ohne dass hier etwas romantisiert würde, liegt sicherlich daran, dass Savoia konsequent die Perspektive des Mädchens einnimmt, deren Reflexion ihrer Umwelt eine andere ist als bei den Erwachsenen.
Eine ungemein berührende Geschichte, von der es noch einen zweiten Band geben soll.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #104 Oktober/November 2012 und Thomas Kerpen