Die vierköpfige Frauenband LUCIDVOX kommt aus Moskau, 2014 veröffentlichten sie – nur digital – das ins Englische übersetzt „In Motion“ betitelte Debütalbum. 2013 fanden Alina, Nadezhda, Galla und Anna zusammen, man (frau!) coverte SONIC YOUTH, PIXIES, WHITE STRIPES und vor allem WARPAINT (ein Konzert von denen in Moskau beeindruckte nachhaltig) und fand allmählich zu einem eigenen Sound, der zunächst durch den Gesang auffällt. Ist das Französisch? Spanisch? Nein, Russisch – darauf kommt man ja zuletzt, typischerweise singen Bands aus Russland, sofern sie denn überhaupt mal den Weg Richtung Westen finden, auf Englisch, um ihre schon geringen Außenseiterchancen nicht noch weiter zu schmälern. Aber tatsächlich ist Russisch eine durchaus angenehme Gesangssprache, was wiederum sicher auch mit der sehr harmonischen, weichen Art der oft mehrstimmigen Vocals hier zusammenhängt. Englische Texte? Brauchen und wollen sie nicht, trotz wachsender Wahrnehmung im Ausland, und ja, die Sprache trägt sicher etwas zur „Exotik“ der Band bei. SIOUXSIE AND THE BANSHEES lassen sich LUCIDVOX gerne als Vergleich gefallen, so eine gewisse Post-Punk-Düsterkeit ist vorhanden, sie erinnern mich an LE BUTCHERETTES, aber sind auch ausgesprochen psychedelisch und krautig unterwegs, ohne jedoch in hippieeskes Gegniedel zu verfallen. Auch traditionelle russische Musik hat Spuren im Sound hinterlassen, sagt die Band, aber das ist eher ein subtiler Einfluss, hier sieht man vor dem inneren Auge keine Kosaken in der Hocke tanzen. Mit „We Are“ haben LUCIDVOX auf dem nahe Stuttgart ansässigen Glitterbeat-Label eine musikalische Heimat im Westen gefunden, und sobald der Corona-Scheiß vorbei ist, sage ich dem Vierer eine große Zukunft auf den Bühnen jener Festivals mit eher eklektischem Programm voraus.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #152 Oktober/November 2020 und Joachim Hiller