Foto

LOUIS DE FUNÈS BALDUIN COLLECTION

Nach den zwei LOUIS DE FUNÈS COLLECTION DVD-Boxen mit jeweils drei Filmen schiebt Kinowelt gleich noch eine BALDUIN COLLECTION mit insgesamt sechs DVDs hinterher, an der Preiskalkulation ändert sich dadurch aber nichts, die Box ist genauso teuer wie die beiden anderen zusammen.

Eigentlich sind es auch nur fünf „Balduin“-Filme, denn DIE KNALLSCHOTE (AH! LES BELLES BACCHANTES) von 1954 gilt hier als Bonusfilm, ein fürchterliches Funès-Frühwerk, in dem es um irgendwelche öden Theaterproben geht, die als Alibi dienen, um möglichst viele Tänzerinnen halbnackt zu zeigen.

In dieser „burlesken“ Komödie gibt es wirklich nichts erinnerungswürdiges, außer einem Louis de Funès, der noch deutlich mehr Haare auf dem Kopf hat. Und überhaupt, wer ist eigentlich dieser „Balduin“? Schaut man sich die echten Rollennamen von Funès an, wird man da kaum fündig werden.

Mal wieder einer dieser brillanten Einfälle der zu dieser Zeit aktiven verbrecherischen deutschen Synchronstudios, die auch ein Faible für „Frankenstein“ oder „Django“ hatten, deren Namen in diverse Filme hinein fantasiert wurden, obwohl diese Figuren dort im Original gar nicht auftauchten.

Und wenn ich noch mal was von wegen „genialer Synchronpapst Rainer Brandt“ lese, muss ich mich heftigst übergeben. Dieser primitive Kalauerwicht geht einem auch gleich in BALDUIN, DER TROCKENSCHWIMMER (LE PETIT BAIGNEUR) auf die Nerven, glücklicherweise nur in einer Nebenrolle.

Dafür strapaziert Funès-Sprecher Gerd Martienzen die Geduld um so mehr, der wirklich einen unerträglich blöden Spruch nach dem anderen abspult, was ich leider nicht mehr kultig finden kann. Glücklicherweise kann man alternativ auf eine ältere deutsche DEFA-Sprachfassung mit Willi Narloch umschalten, die tatsächlich noch etwas mit dem Original zu tun hat, und auch gar nicht so schlecht zu Funès passt.

Ansonsten ist BALDUIN, DER TROCKENSCHWIMMER von 1967 ein sehr unterhaltsamer Streifen, der vor allem in Sachen Slapstick für feuchte Augen sorgt. Insofern sollte man es tunlichst vermeiden, vorab den Trailer anzuschauen, denn da wurden doch tatsächlich fast alle großartigen Szenen dieser Art verbraten.

Funès spielt hier den Werftbesitzer Fourchaume, der zu Beginn übereilt seinen Schiffsbauingenieur Castagnier feuert, bis er herausfindet, dass dieser ein Segelboot konstruiert hatte, mit dem er eine prestigeträchtige Regatta gewann.

In Folge lässt der Choleriker nichts unversucht, seinen Mitarbeiter zurück zu gewinnen, der einer seltsamen Sippe auf dem Land entstammt, die alle knallig orangenes Haar haben. Inzucht? Wie gesagt, es fällt hier wirklich schwer, ernst zu bleiben, was BALDUIN, DER TROCKENSCHWIMMER zu einem echten Klassiker in Funès’ Schaffen macht.

Ähnlich gut, aber nicht ganz so überdreht, ist der ursprünglich in schwarzweiß gedrehte, hier aber auch in einer mehr schlecht als recht nachkolorierten Fassung enthaltene BALDUIN, DER GELDSCHRANKKNACKER (FAITES SAUTER LA BANQUE!) von 1964 – bei dem mit Jean Girault (kein Unbekannter im Funès-Universum) Regie führte.

Interessant ist bei BALDUIN, DER GELDSCHRANKKNACKER, wie mies der Ruf des Bankers bereits in den Sechzigern gewesen sein muss, denn die Hauptfigur Victor Garnier, der Besitzer eines Ladens für Jagdbedarf, wird hier durch einen windigen Aktien-Tipp eines Bankiers um seine gesamten Ersparnisse gebracht.

Zufälligerweise befinden sich Geschäft und Wohnung aber genau gegenüber der Bank, und die komplette Familie heckt einen Plan aus, um in den dortigen Tresorraum einzubrechen, was sich aber nur sehr schwer vor der Umwelt verbergen lässt.

Und so entsteht die charmante, noch eher zurückhaltende Komik in BALDUIN, DER GELDSCHRANKKNACKER durch die Anstrengungen der Familie, ihr unmoralisches Treiben geheim zu halten. Ein nach wie vor sehr schöner Film, mit der gelungenen Synchro von Klaus Miedel, die ich Martienzens beknackten Sprüchen deutlich vorziehe.

Ebenfalls ein Klassiker im Schaffen von Funès ist der 1971 von Serge Korber inszenierte BALDUIN, DER SONNTAGSFAHRER (SUR UN ARBRE PERCHÉ). Ein regelrecht bizarrer Film, in dem ein geldgieriger Straßenbauunternehmer mit zwei Anhaltern (Chaplins Tochter Geraldine und Funès-Sohn Olivier) im Gebirge von der Straße abkommt, mit dem Auto auf halbem Weg nach unten in einem Baum hängenbleibt und nun darauf warten muss, dass jemand das Trio aus der misslichen Lage befreit.

Ein geradezu minimalistischer Film, denn der Großteil der Handlung spielt sich im Auto mit den drei Hauptakteuren ab, die irgendwie versuchen, mit ihrer hoffnungslosen Lage klarzukommen. Doch für die Drei gibt es kein Entkommen, ähnlich wie für den Zuschauer, der hier voll und ganz Gerd Martienzen ausgeliefert ist, der BALDUIN, DER SONNTAGSFAHRER auf wirklich penetrante Art vollquatscht, selbst wenn gar nichts gesagt wird.

Da kann man nur auf die französische Tonspur ausweichen. Dennoch ein äußerst sehenswerter Film, denn selten kommt man Funès in seinen Filmen so nah, und der auch oftmals gar nicht so richtig lustig ist und geradezu existentialistisch anmutet, wenn man sich die unangenehme Situation der Protagonisten vor Augen hält.

Ebenfalls sehr gut ist BALDUIN, DAS NACHTGESPENST (LE TATOUÉ, also „Der Tätowierte“) von 1968, in dem mit Jean Gabin und Louis de Funès zwei Ikonen des französischen Kinos aufeinandertreffen.

Funès ist als raffgieriger Kunsthändler Balduin Mézeray (im Original heißt er Félicien Mézeray) ganz in seinem Element, Gabin hat definitiv in seiner Karriere würdevollere Rollen gehabt. Gabin spielt den grummeligen Misanthropen und Kriegsveteranen Legrain, auf dessen Rücken sich die Tätowierung eines für Kunstsammler bedeutsamen Malers befindet, die Mézeray zufällig entdeckt.

Und so setzt der Kunstsammler alles daran, an die Haut von Legrain zu kommen, wobei es gar nicht so klar ist, wer hier wem „das Fell über die Ohren zieht“. Denn Legrain versteht es geschickt, die Gier von Mézeray auszunutzen und sich von ihm sein kleines heruntergekommenes Schloss auf dem Lande komplett renovieren zu lassen.

Eine amüsante Ausgangssituation, die aber mit einem etwas schwachen, abrupten Ende aufwartet, da hätte man sich über den reinen Klamauk hinaus etwas mehr Tiefe gewünscht. Gerd Martienzen und Gabin-Sprecher Klaus W.

Krause laufen hier mal wieder zur Hochform auf, und ich kriege deswegen Kopfschmerzen. Neben DIE KNALLSCHOTE ist BALDUIN, DER FERIENSCHRECK (LES GRANDES VACANCES) von 1967 dann ganz klar der zweite Schwachpunkt der Box, trotz der Anwesenheit von Jean Girault als Regisseur.

Weniger ein reinrassiger Funès-Film als eine Pennäler-Komödie, in der in Deutschland sicherlich Joachim Fuchsberger, Peter Kraus, Conny Froboess oder Heinz Erhardt auftauchen würden. Funès spielt darin den Privatschuldirektor Balduin/Charles Bosquier, der seinen Sohn zum Sprachurlaub nach Schottland schickt – das glaubt er jedenfalls.

Dafür schickt der Whiskymagnat MacFarrell (der großartige Ferdy Mayne aus TANZ DER VAMPIRE) ihm im Austausch seine flippige Tochter im Minirock. Dummerweise ist Bosquiers Sohn aber gar nicht in Schottland, sondern nur ein Kumpel von ihm.

BALDUIN, DER FERIENSCHRECK entspricht wohl dem, was man gemeinhin unter einer Verwechslungskomödie versteht, aber sobald sich die Handlung auf die Teenager konzentriert, sehnt man sich Gerd Martienzens Kodderschnauze regelrecht herbei, der diesem schwachen Film noch ein paar wenige humoristische Glanzlichter sichert.

BALDUIN, DER FERIENSCHRECK einmal gesehen zu haben, könnte beinahe einmal zu viel sein. Ansonsten dürfte die BALDUIN COLLECTION aber für unerschrockene Funès-Fans insgesamt eine sehr schöne Sache sein, denn im Gegensatz zu den Schrott-DVDs, die bisher von den „Balduin“-Filmen kursierten, präsentieren sich hier alle Filme in wirklich erstklassiger Bild- und Tonqualität, inklusive der Originaltonspur, und werden auch noch durch die zusätzlichen alternativen Synchronfassungen deutlich aufgewertet.