Kann man sagen, THE LIVING END sind DIE TOTEN HOSEN Australiens? Ich sage jetzt einfach mal, ja, kann man. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens sind sie in ihrer Heimat eine ziemlich große Nummer, die auch mal Arenen füllt und in der Popularität wahrscheinlich gleich nach AC/DC, PARKWAY DRIVE und Nick Cave kommen.
Und THE LIVING END haben zweitens DIE TOTEN HOSEN, für die sie manches Mal in Deutschland bereits Konzerte eröffnen durften, nicht nur als Kumpels und Kollaborateure für ihr neues Album „Wunderbar“ ins Studio geladen und ließen sie im Hintergrund ein wenig mitspielen und mitsingen –, sie haben auch einen ähnlichen musikalischen Werdegang eingeschlagen.
Die Hosen begannen einst als Punks und wollten die Nation in Schutt und Asche legen und sind heute Stars, die mehr Rock als Punk und mehr Pop als Lautstärke auf dem Schirm haben. THE LIVING END entstammen der Rockabilly- und Punkabilly-Szene – und spielen längst, und somit auch auf ihrer neuen Platte, Mainstream-Hooks und Massen-Riffs.
Das ist auch der Grund, warum dieses Album, namens „Wunderbar“ ein zweischneidiges Schwert ist. Auf der einen Seite ist die Klinge stumpf, sind Härte und Aufmüpfigkeit weitgehend weg und aus dem Programm getilgt – was sich ja auch auf den Platten zuvor schon durchaus so gezeigt hatte.
Auf der anderen Seite aber ist „Wunderbar“ ein Album, dessen Qualitäten unverkennbar sind. Man muss sich eben nur darauf einlassen und akzeptieren, dass Chris Cheney (Gesang, Gitarre), Scott Owen (Bass, Kontrabass, Gesang) und Andy Strachan (Schlagzeug) reifer geworden sind und mehr draufhaben als nur jugendliche bis adoleszente Knalligkeit.
„Don’t lose it“, „Not the other boys“, „Drop the needle“, „Too young to die“ oder „Protein pill“ sind echte Perlen der Songkunst, bei denen neben den STRAY CATS eben auch Referenzen an THE POLICE, THE CLASH, THE STROKES, THE MANIC STREET PREACHERS, DANKO JONES und eben nicht zuletzt DIE TOTEN HOSEN anklingen.
Und das sind eben allesamt Bands, die sich über Jahre und Platten hinweg vor allem unfassbar wandelbar, vielfältig und abwechslungsreich, kurzum kreativ und anspruchsvoll präsentiert haben.
Bands, die gelernt haben, die Sache ernsthaft und wirklich als Künstler anzugehen. Und für alle anderen, die vielleicht tatsächlich noch etwas zu bekritteln und kritisieren und bemängeln haben, gibt es ja außerdem noch das halbakustische „Amsterdam“ mit seiner herrlich verschrobenen Streetpunk-Folk-Singer/Songwriter-Attitüde oder das auf reinem Rockabilly – und somit auf der vermeintlich guten alten Zeit – gründende, hoch politische „Death of the American dream“.
Diese Songs beschwören den Geist des Damals konsequent und mit viel Hingabe herauf – aber in einer Zeit, die neu ist und genauso gut wie früher. Sie ist eben nur ein ganz klein bisschen anders.
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