LEMMING

Nach seiner deutlichen Verbeugung vor Hitchcock mit HARRY, UN AMI QUI VOUS VEUT DU BIEN aus dem Jahr 2000 hat der gebürtige Bühler Dominik Moll mit LEMMING einen weiteren Film gedreht, der auf sehr französische Art dem großen Meister nacheifert, diesmal aber auch eine sehr surreale Note besitzt.

Darin bekommt die Vorzeigeexistenz des Ingenieurs Alain (Laurent Lucas aus HARRY, UN AMI QUI VOUS VEUT DU BIEN, CALVAIRE und QUI A TUÉ BAMBI?) mit hübscher junger Frau (Charlotte Gainsbourg, Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin) und schickem Eigenheim erste Risse, als das Abendessen mit dem Chef und dessen seltsamer Frau (Charlotte Rampling) zu einer höchst peinlichen Veranstaltung wird.

Weitere Ereignisse auf der stetigen Abwärtsspirale Alains sind ein Lemming, der den Abfluss der Spüle verstopft, ein bizarrer Verführungsversuch der Frau des Chefs und deren unerwarteter Selbstmord.

Mit gut zwei Stunden ist LEMMING nicht gerade kurz, aber Moll gelingt es mit einem angenehm ruhigen Erzähltempo ähnlich wie Michael Haneke in CACHÉ konventionellen Thriller-Elementen eine neue Seite abzugewinnen, allerdings offeriert er dem Zuschauer dann einen Schluss, den man entweder als clever und subtil ansehen kann oder einfach nur als vollkommen bescheuert, je nach Geschmackslage.

Jedenfalls werden sich sicher bereits im Kino genug Leute die Haare gerauft haben, die nach zwei Stunden eine weniger kryptische Auflösung erwartet haben oder zumindest etwas, das nicht komplett jegliche vorher aufgebaute Erwartungshaltung unterläuft.

Was bei CACHÉ noch halbwegs funktioniert, denn schließlich ist Haneke tatsächlich in erster Linie Kunstfilmer, wirkt bei LEMMING eher wie ein Schlag ins Gesicht des Publikums. Was umso bedauerlicher ist, denn bis zu seinem Finale ist Moll ein wirklich sehr formvollendeter, faszinierender Film mit einer Prise schwarzen Humors gelungen, was nicht zuletzt an seinem großartigen Ensemble liegt, der einen Großteil seines Publikums schließlich aber mit allzu symbolüberfrachteten Schickschnack wieder verliert.

Aber vielleicht beantwortet das lange Making Of auf der zweiten Disc noch die eine oder andere Frage, wenn man dann noch Lust darauf hat.