Vor einiger Zeit hatte ich an dieser Stelle schon einmal die opulent ausgestattete, nicht mehr erhältliche Cult Epics US-DVD von LA BÊTE besprochen, eines der Schlüsselwerke des polnischen Erotik- und Kunstfilmers Walerian Borowczyk (der inzwischen leider verstorben ist).
Jetzt ist der Film tatsächlich mal offiziell in Deutschland erschienen, sogar versehen mit dem Segen der FSK, nachdem er vor einigen Jahren mal unzensiert auf Arte gelaufen war. Ein Film mit einer langen Zensurgeschichte hinsichtlich seiner bisherigen Veröffentlichungen in Deutschland, was natürlich auf den Umstand zurückzuführen war, dass hier in einer Traumsequenz ein haariges Ungeheuer mit riesigem Glied Jagd auf ein junges Mädchen macht und diese Bestie schließlich eine mörderische Ejakulation hat.
Diese seltsamen Träume, für die Borowczyk eine überraschende Erklärung bereit hält, bekommt eine Engländerin namens Lucy Broadhurst plötzlich in der Nacht auf dem Gutshof des Duc de l’Esperance in Frankreich, wohin sie gereist war, weil sie dessen Sohn Mathurin heiraten soll.
War das jetzt Porno oder sogar Sodomie und damit strafrechtlich zu ahnden von irgendwelchen staatsanwaltschaftlichen Filmkennern? Für mich war LA BÊTE eigentlich schon immer ein surrealer Erwachsenen-Comic mit parodistischer Note, was Borowczyks Interpretation der „La Belle et la Bête“-Geschichte angeht.
Wer das nicht sah, musste schon ein eigenartig verklemmtes Weltbild besitzen. Schockierend war hier höchstens die Eingangssequenz mit zwei sich begattenden Pferden, ein harscher Realismus, der einen interessanten Kontrast zur Traumsequenz am Ende des Films darstellte.
Ansonsten verarbeitete der Pole die grundsätzliche Funktionsweise von Pornographie auf seine gewohnt künstlerische Weise, ohne dass man das ernsthaft als pornographisch bezeichnen könnte.
Eine wilde, sexuell aufgeladene Geschichte voller Symbolismen über das menschliche Verlangen, was natürlich auch die Perversion einschließt und deren tiefenpsychologischen Dimensionen im Sinne von Freud.
Und mit feinen komödiantischen Anklängen – so wie hier die Oberschicht karikiert wird –, ebenso wie mit zartem Sinn für eher lyrische Momente. Ein Film, der aufgrund seiner etwas langatmigen Momente sicherlich nicht jedem gefallen wird, aber für Freunde bizarren und wagemutigen 70er-Jahre-Kinos in jedem Fall äußerst sehenswert ist und für Fans dieses Regisseurs sowieso ein Muss darstellt.
Ein schönes Release u.a. versehen mit Borowczyks Kurzfilm L’ESCARGOT DE VÉNUS, einer kurzen Doku über den Regisseur und Deleted Scenes. Zumal Bildstörung auch noch mal die Bildqualität verbessern konnte, was auch für die rekonstruierte Langfassung gilt, die allerdings nur auf einer streng limitierten (500 Stück) Sonderedition enthalten war, die inzwischen leider schon vergriffen ist.
Noch mehr würde es mich aber freuen, wenn endlich mal jemand eine gescheite Version von DOCTEUR JEKYLL ET LES FEMMES mit Udo Kier veröffentlichen würde, einer der besten Filme des polnischen Regisseurs.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #86 Oktober/November 2009 und Thomas Kerpen