Wenn man die Zeitlosigkeit einer Platte an ihrer Originalität misst, dann sollte „Naked“, das Debüt der Londoner Band KISSING THE PINK aus dem Jahr 1983, eigentlich alle dafür nötigen Kriterien erfüllen.
Zum einen konnten die Briten veritable Hits wie „Big man restless“ oder „Last film“ schreiben, die dann auch zu Chartsplatzierungen in Großbritannien führten. Zum anderen warteten KTP mit einem Sound auf, der damals populäre Strömungen wie New Wave und Synthie-Pop aufgriff, aber auch eine starke experimentelle Ausrichtung besaß, die sich in seltsamer Marschmusik-Rhythmik, jazzigen Saxofoneinlagen und mehrstimmigem Chorgesang manifestierte, was sich wie ein roter Faden durch die Platte zieht.
In gewisser Weise demontierten KTP damit gleichzeitig immer wieder die Einflüsse von Dance Music und Soul, von denen ihre Musik ebenfalls stark geprägt war, womit man sich in kommerzieller Hinsicht quasi selbst im Weg stand.
Vielleicht war dem britischen Publikum auch der Name der Band zu anrüchig, der eine Anspielung auf Cunnilingus war, weshalb man auf dem dritten Album „Certain Things Are Likely“ von 1986 auch nur noch KTP hieß und sich deutlich geglätteter präsentierte.
Das dazwischen entstandene zweite Album „What Noise“ von 1984, das bis heute nicht über eine Vinyl-Veröffentlichung hinausgekommen ist, deutete diesen Trend schon an, besitzt aber noch größtenteils die Stärken des Debüts.
Möglicherweise war „Naked“ einfach zu sophisticated für den damaligen Massengeschmack – zumal die Hochzeit des Synthie-Pop 1983 bereits überschritten war –, weshalb das Album inzwischen vor allem bei Kennern der damaligen New Wave- und Synthie-Pop-Ära für leuchtende Augen sorgt.
Das aktuelle Rerelease wurde noch um einige Remix-Versionen erweitert, leider aber nicht um sämtliche Tracks der damaligen Single-Veröffentlichungen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #123 Dezember 2015/Januar 2016 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #138 Juni/Juli 2018 und Thomas Kerpen