WESTEND: BERLIN 1983

Jörg Ulbert, Jörg Mailliet

Ich stehe auf Comics, die real(istisch)e Geschichten erzählen, und ganz besonders auf solche mit (Punk-)Szene-Bezug – Hernandez, Peter Bagge, etc. Und deshalb fand ich auch schon „Gleisdreieck – Berlin 1981“ des Teams Ulbert-Mailliet außergewöhnlich gelungen, schafften sie es doch, das West-Berlin der Achtziger als grauen, mystischen Ort (gerade für junge Menschen aus der westdeutschen Provinz) in den Bildern ihres Comicbandes darzustellen.

Jener war im Jahr 1981 angesetzt und erzählte in sehr detailgenauen Bildern die Geschichte des Undercover-Ermittlers Otto, der sich in linke Kreise einschleicht, um den Plan zu vereiteln, den erzkonservativen Innensenator Lummer zu entführen.

Otto ist auch die Hauptfigur von „Westend – Berlin 1983“, wobei es diesmal um eine der unappetitlichsten und verwirrendsten Politkrimi-Fälle der deutschen Nachkriegsgeschichte geht, die als „Feme-Mord“ bezeichnete Tötung des Terroristen und V-Manns Ulrich Schmücker im Jahr 1974.

Der Prozess dazu begann 1976 und endete 1991 mit dessen Einstellung. Alles, was in diesem Kontext geschah, scheint man in Sachen NSU-Prozess gerade erneut zu erleben. Comic-Hauptfigur ermittelt in diesem Kontext, schließt sich den Bhagwan-Anhängern (korrekt: Oshos) an und führt den Leser dabei einmal quer durch den West-Berliner Polit- und Subkultur-Underground der Achtziger.

Smart, wie die beiden Jörgs immer wieder Musik und Songtexte einfließen lassen, die Playlist dazu gibt’s vorne im Buch: WALL OF VOODOO, Billy Bragg, SOFT CELL, ALIEN SEX FIEND, THE CURE ...

Eine beeindruckende Zeitreise, und klickt man sich parallel durch die passenden Wikipedia-Einträge, hat man auch noch was gelernt.