Das neue Album der israelischen Punkband ist wie viele andere auch ein fast typisches Corona-Werk. Eigentlich wollten sie nach der Veröffentlichung von „Ma’agal Sina’a/Circle Of Hate“ im April 2020 auf Tour gehen, um die Platte zu supporten. Dann kam Corona und der Lockdown in Israel. Als die Aufnahmen im Kasten waren, blieb von den drei Labels, die das letzte Album von JARADA gemacht hatten und auch das neue rausbringen wollten, nur Crapoulet übrig, da sich das Coverartwork verzögerte und zwei Labels ihre Arbeit einstellten. Also machte sich die Band auf Labelsuche, was die Veröffentlichung erneut verzögerte. Aber das Warten hat sich definitiv gelohnt. Auch dieses Mal schaffen es JARADA, in noch nicht einmal zehn Minuten zehn Songs herunterzureißen. Hardcore-Punk der Extraklasse, geradliniger als auf den Vorgängern und nur mit minimalen Effekten produziert, was dem Sound noch mehr Biss verleiht. Ich habe schon lange nicht mehr so eine Wucht gehört, die mich mit dem Gefühl zurücklässt gerade eben komplett mitgerissen worden zu sein – und es fühlt sich wirklich nicht so an, als ob das nur ein knapp zehnminütiges Ereignis gewesen ist. Doch nicht nur vom Sound her haben JARADA draufgelegt. Das Cover ist dieses Mal keine Collage mit Fotos, die israelische, palästinensische und US-amerikanische Politiker beim Shakehands zeigt, sondern die Zeichnung eines Mannes, der mit sich selbst kämpft, ohne dabei zu erkennen, dass er nur ein Werkzeug in einem viel größeren Spiel ist. Der Albumtitel lautet „No Co-Existence With ... Jarada“ und wird erst verständlich, wenn mensch weiß, dass das hebräische Wort Jarada „Angst“ bedeutet. In ihren Texten rechnen sie gnadenlos mit der israelischen Gesellschaft ab. Schon der erste Song „דת זו כת“, übersetzt „Religion ist eine Sekte“, kritisiert die Rolle der Religion. אני ואתה (נפרק את המשטר) – „Du und ich werden das Regime stürzen“ thematisiert die Willkür der Polizei und die Hoffnung auf Veränderung. אין“ דו-קיום עם משטרה“ greift mit „No co-existence with police“ den Albumtitel wieder auf und beschreibt die Gewalt durch die Cops auf Demonstrationen. Mit diesen „Faschisten“, wie JARADA sie bezeichnen, kann es für sie kein Zusammenleben geben. Im letzten Song לפרק התנחלויות לשפוט את המנהיגים kritisieren sie die Siedlungsbewegung und fordern, die Siedlungen aufzulösen und ihre Anführer vor ein Gericht zu stellen. Denn nur so sei ein friedliches Zusammenleben in Israel möglich. Große Hoffnungen darauf macht sich die Band aber nicht, denn „Galeerensklaven bleiben immer Sklaven“, wie JARADA in „עבדים נרצעים נשארים לנצח עבדים“ feststellen. Das Bandmotto „Raw, Fast, Angry, Negative“ hat meiner Meinung nach auf keines der JARADA-Alben besser gepasst als auf „No Co-Existence With ... Jarada“. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht ihre letzte Platte sein wird.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Triebi Instabil
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