Foto

NICHTS WIRD SICH NIEMALS NIRGENDWO ÄNDERN

Jan Off

„All die Arschlöcher, die keine Geflüchteten wollen, haben einfach keinen Baum verdient“, sagt Nadja, eine der vier Protagonisten, die Jan Off in seinem neuen Roman gemeinsam mit Oke, der Blassen und Ich-Erzähler Keule an die Planung der Abfackelung der Weihnachtstanne auf der Hamburger Binnenalster setzt. Wie schon im 2012 erschienenem „Happy Endstadium“ ist die Story in der autonomen Szene verankert, große Ideale herrschen vor, wichtige Ziele werden gesetzt und einmal mehr ist die Idee gut, aber die Welt noch nicht bereit. Nicht ohne Augenzwinkern werden die vier jungen Revoluzzer und Revoluzzerinnen in amouröse Verstrickungen, übermäßigen Drogenkonsum und allerlei Missverständnisse verstrickt, so dass man als Leser kaum an ein Gelingen der geplanten Aktion glauben mag. Parallel zu diesem Handlungsstrang schildert der Ich-Erzähler seine Erfahrungen in der Leipziger Demo-Szene im Speziellen und jener im Osten Deutschlands im Allgemeinen. Jan Off, der selbst eine Weile in Leipzig gelebt hat und durchaus in dieser Szene verwurzelt ist, erzählt da vielleicht ohnehin seine eigenen Erlebnisse, seine persönlichen Erfahrungen im Kampf gegen Nazis und Bullen, wer weiß das schon. So wird hier ein EGOTRONIC-Konzert im Rahmen einer Dresdener Nazi-Demo geschildert, das auch tatsächlich stattfand. Wie nun die Tagebücher des geistig verwirrten Mario Chrupalla, 53, Schichtleiter in einem Recycling-Unternehmen, der im Bus zur Arbeit eine junge Frau stalkt, in das ganze Setting passt, fragt man sich während der Lektüre immer wieder, um am Schluss das große Aha-Erlebnis zu haben. Schön gelöst, Sir Off, und schön geschrieben einmal mehr.