INLAND EMPIRE

Offen gestanden hatte ich irgendwie Angst vor diesem Film, denn man konnte ihn im Prinzip auf drei Punkte reduzieren – das ließ sich selbst aus den positiven Besprechungen herausfiltern –, Digitalvideo, Überlänge und keine Story.

Aber große Kunst ist halt nicht jedermanns Sache und ein David Lynch ist einfach Pflicht. Allerdings machte einem das, was Lynch in letzter Zeit so über seine Website verbreitet hatte, auch nicht gerade Mut, man denke nur an seine grenzwertigen Zeichentrickfilmchen unter dem Titel „Dumbland“ oder seine ebenfalls auf Digitalvideo gedrehten Kurzfilme, darunter der unerträgliche RABBITS, den er für INLAND EMPIRE wieder aufgriff und wo sogar Naomi Watts Suzie Rabbit ihre Stimme lieh.

Dafür dass sich Lynch jetzt offenbar komplett von Hollywood abgewendet hat, kann er zumindest noch mit vermeintlich großen Namen aufwarten, darunter Laura Dern, Jeremy Irons, Harry Dean Stanton, Justin Theroux oder Grace Zabriskie, die Sarah Palmer aus „Twin Peaks“.

Wobei, wenn ich es mir recht überlege, hat Laura Dern schon in BLUE VELVET und WILD AT HEART genervt – deren letzte große Rolle 1993 in JURASSIC PARK gewesen sein dürfte –, bei ersterem fiel es nicht so auf und bei zweiterem passte ihr hysterisches Getue ganz gut.

Dern spielt hier eine komische Schauspielerin, die eine sehnsüchtig erwartete Rolle bekommt, die sich allerdings schnell als Albtraum entpuppt, denn der geplante Film sollte schon einmal gedreht werden, konnte aber nicht vollendet werden, da beide Hauptdarsteller getötet wurden.

Weiter braucht man auf die Handlung nicht einzugehen, denn fortan reiht Lynch möglichst mysteriös anmutenden Unsinn aneinander, inklusive bereits bekannter, miteinander verwobener Zwischenwelten, was INLAND EMPIRE über knapp drei Stunden auf jeden Fall zu einer quälenden Tour de Force macht.

Nichts gegen einen guten Mindfuck, aber hier hat man überwiegend das Gefühl, Lynch hätte sein Talent zum Filmemachen eines Morgens in der Toilette runtergespült. Auf Digitalvideo zu drehen birgt immer das Risiko, unattraktive Bilder zu produzieren, die mehr nach wackeligem Homevideo als ernsthaftem Spielfilm aussehen.

Und das führt auch zu einer kompletten Entzauberung von Lynchs mysteriösen Welten, wo man sehr schnell jegliches Interesse verliert zu erfahren, was denn eigentlich konkret dahinter steckt.

In diesem Fall eher mal überhaupt nichts, denn was Lynch hier an schlecht erzählten Mysterien anhäuft, bewegt sich oft am Rande der Lächerlichkeit. Und Nutten, die sich gegenseitig die Brüste zeigen oder zu „The Loco-Motion“ tanzen, gehören dabei noch zu den erfreulicheren Momenten, von früherer Selbstironie ist aber auch hier wenig zu spüren.

Zweieinhalb Jahre hat Lynch gebraucht, um diesen nervtötenden Unsinn zusammen zu schustern und man ist regelrecht erschrocken, wie viele Leute das immer noch für ein Meisterwerk halten. Vielleicht hätte man aus INLAND EMPIRE ja sogar einen halbwegs vernünftigen Film machen können, wenn das Ganze von einem echten Kameramann auf Film gedreht worden wäre, oder zumindest vernünftig nachbearbeitet worden wäre, wenn es einen echten Komponisten für den Score gegeben hätte, denn Lynch produziert nur eintönige Störgeräusche, selbst ERASERHEAD hatte einen virtuoseren Score, und wenn irgendjemand das Material auf erträgliche Länge zusammengeschnitten hätte.

Lynch hat hier zu viele Fäden alleine in der Hand, aber nichts richtig im Griff, und wenn ihm das als Idealvorstellung unabhängigen Filmemachens vorschweben sollte, dann gute Nacht. Wie sagt Justin Theroux in seiner Rolle als Devon Berk, Co-Star von Laura Dern/Nikki Grace, an einer Stelle doch so schön: „If you’re looking for shock value, Marilyn, I suggest you look in the mirror.“ Das trifft auch auf INLAND EMPIRE zu, denn Lynch, bei dem ich immer angenommen habe, dass er das Kino wirklich liebt, hat hier ein hässliches, langweiliges und dümmliches Machwerk abgeliefert, das Lichtjahre von großartigen Filmen wie ERASERHEAD, BLUE VELVET, WILD AT HEART oder MULHOLLAND DRIVE entfernt ist.

Und ich bin mir nicht sicher, ob Lynch bei einem weiteren Film dieser Machart erneut so viel Wohlwollen erwarten darf, denn bereits INLAND EMPIRE ist schon eine echte Zumutung – leider keine, die man in irgendeiner Form als befriedigend empfinden kann.

Stattdessen wirkt INLAND EMPIRE, als ob ein Filmstudent im ersten Semester versucht hätte, Lynch wenig erfolgreich zu kopieren.