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IN THE ELECTRIC MIST - MORD IN LOUISIANA

Anhand von Bertrand Taverniers IN THE ELECTRIC MIST könnte man mal wieder die Auswüchse fehlgeleiteten Marketings diskutieren, denn dessen Film mit NO COUNTRY FOR OLD MEN gleichzusetzen, ist schon relativ dämlich.

Sicherlich spielt Tommy Lee Jones auch darin einen etwas eigenwilligen Cop, aber da könnte man genauso IN THE VALLEY OF ELAH oder THE THREE BURIALS OF MELQUIADES ESTRADA anführen, ohne dass sich all diese Filme tatsächlich miteinander vergleichen ließen.

Wie auch immer, enttäuschend ist IN THE ELECTRIC MIST generell für sehr viele Leute gewesen, denn wer will schon einen Film über die Fahndung nach einem perverser Frauenmörder in Louisiana sehen, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, einem konventionellen Thriller zu entsprechen.

Das Totschlagargument lautet dann meistens: Da passiert ja gar nichts! Aber offen gestanden habe ich an Filme von Tavernier eh keine besondere Erwartungshaltung, der Mann kommt auf meiner persönlichen Speisekarte nicht vor, insofern kann man nur überrascht werden.

Natürlich basiert IN THE ELECTRIC MIST mal wieder auf einem Buch, nämlich „In the Electric Mist with Confederate Dead“ von James Lee Burke, der mit der Figur des Südstaaten-Polizisten Dave Robicheaux als Hauptfigur eine umfangreiche Krimiserie schuf.

Bereits 1996 gab es mit MISSISSIPPI DELTA – IM SUMPF DER RACHE (Originaltitel: HEAVEN’S PRISONERS) eine Verfilmung eines seiner Kriminalromane mit Robicheaux, der auch schon als träge und überlang galt, auch wenn er mit passabler atmosphärischer Dichte aufwarten konnte.

Ähnliche Kritikpunkte wie bei IN THE ELECTRIC MIST. Aber vielleicht sind Burkes Detective mit Alkoholproblem und seine ungewöhnlichen Bayou-Thriller, die einen engen Bezug zur Lebensrealität des Autors besitzen, auch nicht wirklich für die Leinwand geeignet.

Andererseits hatte mir IN THE ELECTRIC MIST durchaus gut gefallen, der mit seiner fast meditativen Erzählweise und seinem Chandler’esken Ermittler, der in einer Welt ohne Moral und Grundsätze versucht, nach seinen eigenen moralischen Grundsätzen zu leben, eine angenehme Abwechslung zu hektischen, zu 50 Prozent im Rechner entstandenen Blockbustern darstellt.

In Taverniers Film geht es noch um die Begegnungen echter Menschen aus Fleisch und Blut, denen Robicheaux in klassischer Ermittler-Manier neue Erkenntnisse zur Lösung seines bizarren Falles entlocken will und dabei oft genug Rückschläge erleidet.

Ob die Auflösung dieses sehr moralisch gefärbten Whodunit-Prinzips für jeden gleich befriedigend ist, dürfte eine recht individuelle Sache sein. Auf jeden Fall konnte Tavernier aber die Kulisse der schwül-warmen Sumpfgegenden in der Nähe von New Orleans sehr atmosphärisch auf die Leinwand bringen.

In diesem Klima permanenter Hitze wirken Robicheauxs Anstrengungen gleich doppelt mühsam. Dazu passt auch Marco Beltramis schöner Score, der ja mehr als Komponist recht funktionaler Filmmusik bekannt ist.

Und in den Nebenrollen können John Goodman, Peter Sarsgaard, Ned Beatty und Kelly Macdonald ebenfalls Akzente setzen. IN THE ELECTRIC MIST wirkt dabei manchmal fast wie einer der späteren Robert Altman-Filme, die von ihrem trockenen Humor und ihren interessanten Personenkonstellationen lebten.

Wer also einen handelsüblichen Thriller erwartet, wird mit IN THE ELECTRIC MIST einen ziemlichen Reinfall erleben, wer sich hingegen mit seiner gelungenen Atmosphäre und den guten darstellerischen Leistungen zufrieden gibt, wird Taverniers Film alles andere als langweilig finden.

Zumal wir uns in Deutschland glücklich schätzen können, dass hier der „Director’s Cut“ veröffentlicht wurde, während in den Staaten nur der circa zehn Minuten kürzere „Producer’s Cut“ erhältlich ist.