Offen gestanden betrachte ich Peter Jacksons Karriere in Hollywood schon seit seinen drei DER HERR DER RINGE-Filmen mit einiger Skepsis. Die führten drei Jahre lang die Kinojahrescharts an, drei überlange, im Pathos versinkende Blockbuster-Spektakel mit einigen tatsächlich beeindruckenden Szenen, aber genauso vielen fast lächerlichen CGI-Effekten.
Und bereits im ersten Film gab es so viele unnötige Veränderungen von Tolkiens Vorlage, dass man das wirklich nicht mehr werkgetreu nennen konnte. Der dritte Film lief dann wirklich vor Pathos nur so über und war teilweise nur im Schnelldurchlauf erträglich.
Mit KING KONG war es mit der früheren Begeisterung für Jackson endgültig vorbei. Offenbar hatte mit dem deutlichen Verlust seines Körperumfangs auch das Gespür des Neuseeländers für gutes Unterhaltungskino gelitten, dabei hatte alles mit seinem ersten richtig großen Film THE FRIGHTENERS 1996 noch so gut angefangen.
Dass der Mann nie wieder einen BRAINDEAD oder BAD TASTE drehen würde, war natürlich klar, aber selbst John Guillermins KING KONG von 1976 war ernstzunehmender als Jacksons kindisches Jump’n’Run-Remake.
Mit der Verfilmung von Alice Sebolds Bestseller „In meinem Himmel“ schien sich Jackson augenscheinlich wieder auf etwas anspruchsvollerem Terrain zu bewegen, aber THE LOVELY BONES, wie der Originaltitel von Buch und Film lautet, entpuppte sich als größte Enttäuschung des gerade gestarteten Jahres 2010.
Buchverfilmungen sind natürlich immer ein Problem, aber offenbar fehlte Jackson die künstlerische Reife, Sebolds erzählerische Tiefe in verkürzter Form in gut zwei Stunden auf die Leinwand zu bringen.
THE LOVELY BONES ist ein dermaßen widersprüchlicher Film, dass man sich oft fragt, was die Beteiligten da geritten hat. Dabei beginnt alles noch recht stimmungsvoll und düster, als die 14-jährige Susie Salmon in den Siebzigern Opfer eines Serienkillers wird, der in ihrer direkten Nachbarschaft wohnt, und fortan aus einer Welt zwischen Himmel und Erde beobachtet und kommentiert, wie das Leben ihrer Familie und das des Mörders weitergeht („My murderer was a man from our neighborhood.
I took his photo once; he stepped out of nowhere and ruined the shot. He ruined a lot of things.“). Eine interessante Prämisse, die Jackson erneut mit unglaublich miesen CGI-Effekten ruiniert.
Denn die Bilder des Zwischenreiches überschreuten nicht nur einmal die Grenze zu einfallslosem Kitsch, was eigentlich nur ein abgestumpftes Mainstreampublikum ansprechen dürfte und alles andere als einfühlsam oder berührend wirkt.
Aber auch weitere Wendungen der Story machen die Sache nicht besser, und so taucht irgendwann Susan Sarandon als schräge Großmutter auf, die gerne mal zu tief ins Glas schaut, und sorgt für absolut unpassende Komödienelemente.
Wirklich gelungen ist auch nicht die Entlarvung des Mörders, dessen Identität der Zuschauer natürlich schon lange kennt, wo Jackson dann mit äußerst überstrapazierten Thriller-Elementen arbeitet, die Hitchcock sicher im Grab rotieren lassen würden. Den Schauspielern kann man dabei am wenigsten einen Vorwurf machen, vor allem Saoirse Ronan als Susie Salmon ist wirklich großartig, aber die sind letztendlich nur Spielball einer verkorksten Dramaturgie, die Hollywood größtes Kind da auf die Menschheit losgelassen hat.
Was magisch und sensibel erzählt hätte sein müssen, ist leider der Holzhammer-Mentalität der meisten Blockbuster angepasst, und dabei hatte Jackson ja bereits 1994 mit HEAVENLY CREATURES bewiesen, dass er auch nachdenklichere Themen in Form eines poetisch-psychologischen Horror-Thrillers ganz ohne Splatter auf die Leinwand bringen konnte.
Aber bei THE LOVELY BONES fühlt sich sehr viel einfach nur fürchterlich falsch, leer und verlogen an, innerhalb eines löchrigen wie unfokussierten Drehbuchs voller infantiler Spiritualität, das auf ein erschreckend lahmes Ende zusteuert.
Und dass Brian Eno die Musik dazu komponiert hat, ist mir vor lauter Haareraufen völlig entgangen. Wollte man zynisch sein, könnte man sagen, Jacksons Botschaft würde lauten, dass es schon ganz okay ist, von einem Kinderschänder in der Nachbarschaft umgebracht zu werden, wenn danach ein toller CGI-Himmel auf einen wartet, wo man mit netten anderen Freundinnen viel Spaß haben kann, die ebenfalls auf unschöne Weise von der Erde in den Himmel gewechselt sind.
Was sicherlich nicht Sebolds Intention war, der es vorrangig um die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten des Abschiednehmens und das Auseinanderbrechen einer einst glücklichen Familie ging, was in Jacksons einfältigem effektlastigen Fantasy-Thriller leider völlig untergeht.
Insofern ist THE LOVELY BONES genau das Richtige für Leute, die auch AVATAR für ein bahnbrechendes filmisches Kunstwerk halten. Die Lust auf ein weiteres Jackson-Werk ist mir jedenfalls vergangen, der offenbar gerade an einer weiteren Tolkien-Verfilmung beteiligt ist, THE HOBBIT, da allerdings nur als Drehbuchautor und Produzent.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Thomas Kerpen