Nach HUNDSTAGE von 2001 ist IMPORT EXPORT der zweite fiktive Film des Österreichers Ulrich Seidl, der sich allerdings, was seine brutale Zurschaustellung menschlichen Elends angeht, kaum von seinen Dokumentationen unterscheidet.
Seidl wird hier auf jeden Fall seinem diskussionswürdigen Ruf als kalter menschenfeindlicher Provocateur voll gerecht. Hinzu kommt eine emotionale Kälte, die durch das unfreundliche winterliche Klima des Films noch gesteigert wird.
Das Anliegen des Regisseurs ist es erneut, sein Publikum mit Dingen zu konfrontieren, die es gerne mal im richtigen Leben ausblendet, vor allem beim Gang ins Kino, wo es ja eigentlich um eine Form von Realitätsflucht geht.
Wer unterhalten werden will, sollte die Filme Seidls meiden wie der Teufel das Weihwasser, denn die sind in der Regel verstörend deprimierende Erfahrungen, selbst wenn es mal bizarre humorvolle Momente gibt.
In IMPORT EXPORT liegt Seidls Fokus diesmal auf den Schicksalen einer ukrainischer Kinderkrankenschwester, die nach erfolglosen Versuchen im Internet-Porno-Geschäft in einem Wiener Altenheim landet, und einem arbeitslosen Wiener Security-Typen, der mit seinem Stiefvater Spielautomaten in die Ukraine transportiert, was aber vollkommen unabhängig voneinander abläuft.
Mit 136 Minuten eigentlich fast schon überlang, verdankt IMPORT EXPORT, dem eine klassische Spielfilmhandlung natürlich fehlt, seinen Reiz Seidls schmerzhaft gnadenlosen Blick auf diese beiden wenig hoffnungsvollen Lebensentwürfe, bei dem die Kamera auf unerträgliche Art immer draufhält und es kein erleichterndes Wegblenden gibt.
Vor allem gegen Ende im Wiener Altenheim, wo Seidl Krankheit und menschliches Siechtum in einer Form ausschlachtet, die für einen "Spielfilm" fast schon etwas zu weit geht und wo man sich fragt, ob hier nicht schon die Würde dieser Personen verletzt wird, was allerdings nichts an der nachhaltig wirkenden Intensität dieser Szenen ändert.
Seidl selbst sieht sich natürlich als Humanisten mit ehrwürdigen Zielen, aber es wird sicher jede Menge Zuschauer geben, die bei IMPORT EXPORT ihre Zweifel daran haben werden, nachdem man ihnen über zwei Stunden lang in den Unterleib geboxt hat.
Gerade wegen seiner kontroversen Qualitäten ist IMPORT EXPORT aber sicher eine der sehenswertesten Filme, die man in letzter Zeit zu Gesicht bekommen hat, denn er führt einen zu Orten, die man niemals freiwillig alleine aufgesucht hätte, und setzt unangenehme Denkprozesse darüber in Gang, wer wir eigentlich sind und was wir auf diesem Planeten eigentlich zu suchen haben.
Nur tut Seidl nicht so, als ob er darauf eine Antwort hätte, weshalb IMPORT EXPORT auch ähnlich offen endet, wie er begonnen hat. Überraschend ist, dass Seidl diesmal mit Ed Lachman einen erstaunlich versierten Kameramann mit im Boot hat, der bereits mit Larry Clark, Todd Haynes, Steven Soderbergh oder Sofia Coppola gearbeitet hat, wodurch sein Film zwar auch nicht übermäßig stylish wird, aber selbst die statischsten Einstellungen eine erstaunliche Lebendigkeit bekommen.
Die seit Juni erhältliche deutsche DVD besitzt noch kurze aber informative Interviews mit Ulrich Seidl und Ed Lachman, und manchmal etwas willkürlich auftauchende Untertitel, vor allem wenn Österreichisch gesprochen wird.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #79 August/September 2008 und Thomas Kerpen