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IL TRADITORE

Angesichts des gerade in Süditalien begonnenen Mammut-Ge­richts­ver­fah­rens gegen die Mafia-Organisation ’Ndrangheta, bei dem 350 mutmaßliche Mafiosi angeklagt sind, erhält der Film „Il Traditore“ des italienischen Regisseurs Marco Bellocchio plötzlich eine ganz aktuelle Bedeutung. In den 80er Jahren fiel Bellocchio mit recht spekulativen Arthaus-Erotik-Dramen wie „Teufel im Leib“ und „Sabba, die Hexe“ auf, mit „Il Traditore“ gelang dem 81-jährigen Italiener aber ein gelungenes Spätwerk, das sich nicht hinter anderen Klassikern des Mafiafilms zu verstecken braucht. Allerdings ist Bellocchios zweieinhalbstündige Mischung aus Biopic und Gerichtsdrama mehr der Realität verpflichtet als „Der Pate“ und verzichtet auf eine Romantisierung des Gangsterlebens. Die Hauptfigur ist der 2000 verstorbene Mafioso Tommaso „Don Masino“ Buscetta, ein hochrangiges Mitglied der sizilianischen Cosa Nostra, der zum Kronzeugen in den Mafiaprozessen der Achtziger- und Neunzigerjahre wurde. Die Geschichte von „Il Traditore“ setzt an, als der in Brasilien untergetauchte Buscetta festgenommen wird und nach Italien ausgeliefert werden soll – wo ein blutiger Machtkampf zwischen der Cosa Nostra und anderen Mafia-Clans tobt –, was er noch mit einem Selbstmordversuch zu verhindern versucht. In Folge wird er zum wichtigsten Zeugen von Untersuchungsrichter Giovanni Falcone (1992 fiel er einem Attentat der Mafia zum Opfer), was zur Verurteilung zahlreicher Mafiosi führte. „Il Traditore“ bedeutet „Der Verräter“, was auch den menschlichen Konflikt der Hauptfigur widerspiegelt, denn Buscetta, dessen Leben in Rückblenden näher beleuchtet wird, sieht sich immer als Ehrenmann, der mit seiner Zeugenaussage die Ehre der „guten alte Mafia“ wiederherstellen will.