Achim Reichel hatte ich bislang eher wegen des gemeinsamen Vornamens auf dem Schirm. Umso überraschter war ich, als ich kürzlich seine Autobiografie in der Post fand, wollte das Buch eigentlich schon weiterreichen, entschied mich aber, Reichel und seinem Rückblick auf fast sechzig Bühnenjahre eine Chance zu geben. Das war, um es vorwegzunehmen, keine schlechte Idee. Achim Reichel ist ein typischer Hamburger Jung: Aufgewachsen in St. Pauli zwischen Hafen und Weltkriegstrümmern, sollte er das werden, was sein Vater und fast der gesamte männliche Teil der Familie gewesen war: Seemann. Doch die Musik kam dazwischen. Mit seiner ersten Band THE RATTLES feierte er schnell Erfolge und tourte durch England als Support für Little Richard. Dass dabei auch die ROLLING STONES mit von der Partie waren, erwähnt er nur nebenbei. Das mag man cool oder aufgesetzt finden. In den Siebzigern wendete er sich dem Krautrock zu und arbeitete in den Achtzigern, seiner kommerziell erfolgreichsten Zeit, mit Jörg Fauser zusammen, der unter anderem den Text zu seinem Hit „Der Spieler“ schrieb. Später vertonte er Gedichte von Goethe, Heine oder Fontane. Dabei blieb Reichel trotz seines Erfolgs immer bodenständig, was in der oberflächlichen Welt des Showgeschäfts durchaus bemerkenswert ist. Und auch wenn er den einen oder anderen Konflikt erwähnt oder die Pleite des Star-Clubs, der ihm mitgehörte, liest sich sein Leben wie eine einzige Erfolgsgeschichte, die man in ihrer Chronologie locker weglesen kann, trotz des eher betulichen Schreibstils des Musikers. Dabei folgt man einer Karriere, deren Vielschichtigkeit vielleicht nicht jedem bekannt ist. So ging es mir zumindest.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #153 Dezember/Januar 2020 und Achim Lüken