Autsch! Nach einer Vorbereitungsminute Gitarrengeräusch und Feedback („Worship“) werden HEAVY HARVEST mit „Scream“ so ungemütlich wie die Bettkante, gegen die man nachts mit dem kleinen Zeh kracht. Ihre Nische kann nur lautmalerisch und mit verstörendem Rumgefuchtel erklärt werden, wenn der Gesprächspartner nicht vertraut ist mit BREACH, UNSANE oder zumindest HELMET. Liebt man die, ist man vom Groove sofort eingenommen. „I have no mouth and I must scream“, schreit O’Neal Haas, während HEAVY HARVEST die Noiserock-Komfortzone in Stücke zu schlagen versuchen. Die ist allerdings einiges gewohnt. Wenn man „Iron Lung“ unbedingt etwas vorwerfen möchte, dann dies: Sperrigkeit hin, Dissonanz her, Genrefans werden fast alles vorhersehen können, was hier passiert. Nicht dass HEAVY HARVEST zwölf Songs lang dasselbe machten. Sie sehen ihre Wurzeln im Punk und Stoner-Rock und schreiben oft straight rockende Stücke, immer aber mit diesem zwingenden, fiebrigen Vibe. Auf „Iron Lung“ betrachten sie das Verhältnis des Menschen zu Natur und Maschine, die eiserne Lunge dient als Sinnbild für die Zwänge, Abhängigkeiten und Ausweglosigkeiten dieser Konstellation. Unter diesem Druck können Menschen durchdrehen oder mit verbissenem Blick und der Faust in der Tasche weitermachen. Die präzise kanalisierten Ausbrüche dieses Albums eignen sich als Begleiter für beides.
© by Fuze - Ausgabe #83 August/September 2020 und Ingo Rieser
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Kalle Stille