Meistgehörtes Album der letzten Wochen! In der Regel gebe ich nichts auf die Vergleiche, mit denen Labels ihre Bands anpreisen, doch bei Namedropping wie KILLING JOKE, THROBBING GRISTLE, DEAD CAN DANCE, SWANS, BURZUM, CABARET VOLTAIRE, THE FALL, AMEBIX und CRASS (uff!) werde ich zumindest neugierig – und war dann absolut hingerissen von dem, was die 2004 in Bristol, England gegründete Band auf ihrem dritten Album zu bieten hat.
Nach „Famine (Or Into The Bellies Of Worms)“ (2008) und „Move“ (2011) ist auch „Liars/Bastards“ auf Todestrieb Records aus Ipswich, UK erschienen. Die Band ist in gewisser Weise ein typischer Vertreter jener neuen Generation von Goth/Post-Punk/Industrial-Bands, deren Wurzeln im Gegensatz zu den Originalen der späten Siebziger und frühen Achtziger weniger im Punk als im Black Metal liegen.
Das Verbindende ist hier – im übertragenen Sinne – die tiefe Schwärze, wohingegen musikalisch ganz eindeutig an die oben erwähnten Bands angeknüpft wird, allen voran die frühen KILLING JOKE.
Das Album, das zuerst im Mai 2014 auf Todestrieb veröffentlicht und im Januar 2015 in Kooperation mit Candlelight neu aufgelegt wurde, ist das Werk von nur zwei Personen, die sich hinter den Pseudonymen Vice Martyr (Guitar, Bass, Voice, Words) und Swine (Percussion, Guitar, Keys, Dials) verstecken.
Ihre Kompositionen sind komplex, jedes der sieben Stücke ist ein Unikat, weit weg von Drei-Akkord-(Punk-)Rock, sondern (atmo)sphärisch, düster, brachial, mit der Tendenz zu Spielzeiten jenseits von sechs, im Falle des letzten Tracks „December“ sogar zehn Minuten.
Komplexe, tribalistische Rhythmik stößt auf die Ästhetik verlassener Industriehallen im Dämmerlicht, dazu getragener, selten wütender Gesang ohne kitschigen Pathos, untermalt von dezenten Synthiesounds.
Ein echtes Klangerlebnis, auch beim vierten Hören in Folge wird mir das Album nicht langweilig. Die Texte sind klar politisch, in der Tradition des britischen Anarchopunk, auf dessen visuelle Ästhetik sich wiederum das Artwork bezieht: Fotomontagen, die so auch bei CRASS hätten verwendet worden sein können.
Apropos: das Coverartwork, das den Union Jack aufgreift, erinnert an das CRASS-Logo. Absolute Empfehlung für jeden, der die erwähnten Bands schätzt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Joachim Hiller