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EMMANUELLE

Guido Crepax

Die „Emmanuelle“-Reihe von Emmanuelle Arsan war in meiner Jugend ein fester Bestandteil jedes zweiten aufgeklärten Erwachsenenschlafzimmers, das etwas auf sich hielt. Die dicken Bände waren nicht zu übersehen und meistens über dem Kopfende des Betts oder im Nachttischbücherschrank untergebracht. Ob sie denn wirklich gelesen wurden, kann ich rückblickend nicht beurteilen, aber sie signalisierten alleine durch ihr Vorhandensein, dass man sich keineswegs in einem prüden Haushalt befand, denn die Romane der französische Schriftstellerin waren seinerzeit das, was später vielleicht die „Shades of Grey“-Trilogie wurde, nur eben nicht so bieder. Es ging damals – wieder einmal – um sexuelle Befreiung, das Überschreiten von Grenzen, Sex mit wem und wann man wollte und mit wie vielen. Dass dies auch noch aus der Sicht einer Frau erzählt wird, die hier auslotet, was ihr gefällt, und das in einer hedonistischen Weise, war in den 1960er und 1970er Jahren der eigentliche Skandal. Die Comicadaption (hier die beiden Teile in einer großformatigen Edition) von Guido Crepax, der seit den 1960er Jahren im Bereich Comic den Weg für die nachfolgenden Generationen an Graphic Novels ebnete, ist eine wahre Bilderorgie in Schwarzweiß. Crepax kennt keine Grautöne, kaum Schatten, nur Konturen und Dunkel, und er tobt sich aus, schwelgt in ganzseitigen Paneelen, teilt Körper in Bruchstücke auf, die wie ein Puzzle dennoch ein Ganzes ergeben, spielt mit Perspektiven und Zeit, die er in kleinen Daumenkinobildern aneinanderreiht. Große erotische Comickunst sieht exakt so aus und ist absolut zeitlos. Der unverkennbare Zeichenstil von Crepax ist so markant und einzigartig, dass man selbst die Plattencover des Italieners problemlos erkennt.