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GIRLS IN SYNTHESIS

Sublimation

Lexikalisches Wissen ist immer gut. Unter Sublimation versteht man den Prozess des unmittelbaren Übergangs eines Stoffes vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand, ohne sich vorher zu verflüssigen. Oder auch auch das, was Sigmund Freud darunter verstand: Der bezeichnete mit Sublimierung den Vorgang der Modifikation von Triebenergie in künstlerisch-schöpferische, intellektuelle oder allgemeiner in gesellschaftlich anerkannte Interessen, Tätigkeiten und Produktionen. Ich vermute mal stark, dass „Sublimation“ als Albumtitel und damit im Kontext eines künstlerischen Prozesses eher in Richtung Freud zu deuten ist. Simpel gesagt wird hier also Sex zu Musik. Fuck! Nach zig Kleinformaten und den Alben „Now Here’s An Echo From Your Future“ (2020) und „The Rest Is Distraction“ (2022) hat das Trio aus London nun mit „Sublimation“ den dritten Longplayer raus und setzt darauf fort, was von Anfang an Strategie war: auf 7“s und 12“ den experimentellen kreativen Gelüsten freien Lauf lassen, stilistischen Crossover zu zelebrieren, mit verschieden Labels zusammenzuarbeiten. Und beim Album dann wieder vom musikalischen Unterholz auf den festen Weg zurückkehren und dabei dann zwar alles andere als konservativ den Doc Martens-Stiefel runterzurocken, aber doch konzise ein schlüssiges, höchst angenehm durchlaufendes Post-Punk-Album abzuspielen. Mit „Deceit“, „Lights out“, „Subtle differences“ oder „I judge myself“ (mein Hit hier) beweisen GIRLS IN SYNTHESIS ihren Ausnahmestatus in der aktuellen britischen Post-Punk-Szenerie: Sie benutzen anders als andere, die sich mit ihrem zweiten, dritten Album längst in Richtung Indiepop verabschiedet haben, die Goth-, Wave-, Post-Punk-Trademarks inklusive markanter Synthie-Sounds nicht nur als Trittstufe in den Alternative-Mainstream, sondern bleiben der dunklen Seite der Musik erhalten. Dafür ist „Sublimation“, das die Band auch wieder konsequent auf ihrem eigenen Label veröffentlicht hat, der erfreuliche Beweis.