Drei Viertel der beständigsten Reste von THE FALL, die es mit Mark E. Smith, der geschätzte 20 Fantastilliarden Musiker verschlissen hat, immerhin ganze elf Jahre ausgehalten haben – das sagt, ohne auch nur einen Ton dieser Platte gehört zu haben, eine ganze Menge über die drei gestandenen Herren aus.
Sie sind duldsam, keine Jungspunde mehr, Leid gewöhnt, musikalisch zweifelsohne top, können Launen aushalten, und sie sind definitiv gut geräuchert. Für die elf Jahre mit dem alten Grantler klingen sie erstaunlich fröhlich und in der Tat an einigen Stellen zurückgelehnt tiefenentspannt.
Wer kann ihnen denn schon was vormachen, wenn man am Genie und Wahnsinn so lange unmittelbar dran war? Neu dabei ist ein nicht ganz so toter Sänger, der gar nicht erst versucht, in irgendwelche Fußstapfen zu treten, die er nicht ausfüllen kann.
Die Platte ist dann auch ein genüsslicher Spaziergang durch die jüngere und ältere Musikgeschichte der Insel, wobei sie ein paar der jüngeren Vertreter wie die KILLERS mal ganz nebenbei ziemlich alt aussehen lassen.
Post-Punk, etwas Glam, Blues-Wurzeln, eine Menge Protopunk-Gestus, der an erwachsene STOOGES erinnert, und eben sehr, sehr viel des besseren Indepentsounds, der in den späten Achtzigern und den Neunzigern seine besten Tage hatte.
Glasklare druckvolle Produktion für eine Scheibe, in die man sich mehr und mehr hineingraben kann. Bis auf den letzten ellenlangen Track, der wie eine siebeneinhalbminütige Endlosschleife klingt, bevor er noch mal gute zwei Minuten in Klaviergeklimper übergeht, ist mehr als diskutabel.
„The art of protection“ ist der richtige Hit zur Eröffnung, mit alten Punk-Tugenden, einem lässig hingeschmissenen Gitarrenriff und einer Melodie, die sich festsetzt. „Turncoat“ hat Blues-Elemente und vieles, was die verbliebenen Teile von OASIS einzeln nicht mehr zusammenfügen können.
„Saying nothing“ ist dann der nächste echte Hit, druckvoll und so gut, dass man ihn zusammen mit dem Opener risikolos als 7“ veröffentlichen sollte. „Plant the seed“ hätte ich mir tatsächlich auf der neuen STRAY CATS-Platte gewünscht, dann wäre sie besser ausgefallen.
Durch den Gesang kommt man nicht umhin zuzugeben, wie nah das an dem einen oder andere Song der IDLES ist. „Rammy taxi illuminati“ hat Post-Punk, etwas KAISER CHIEFS, baut sich auf und zündet erst spät kurz vor Ende mit alter Punk-Attitude.
Gleich mittendrin ist „No man’s land“, wobei die Tempowechsel nicht hilfreich sind, das führt nur zu Verwirrung auf der Tanzfläche. Ganz bei Iggy sind wir bei „Poison ivy“, ein extrem gediegener und edler Song, inklusive Twang-Surfgitarre.
„Wax off“ bedient sich erneut Bluesläufen beim Bass und ist wie die beiden Instrumentalstücke entbehrlich. Zieht man das ganze Füllwerk ab, bleibt eine ziemlich gute Scheibe übrig.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #145 August/September 2019 und Kalle Stille