GABRIELLE’S WISH

Processed

Karen Leatham spielte Ende der neunziger Jahre für einen kurzem Augenblick Bass bei THE FALL. Dies war eher eine kurze Momentaufnahme, die aber umso erwähnenswerter erschient, da sie mit ihrem anderen Bandprojekt GABRIELLE’S WISH, bereits 1995 gegründet, wo sie Keyboards und Bass spielt, einen lupenreinen und brillanten Manchester Post-Punk und Death Rock spielt, der sehr gekonnt den spröden und kratzigen Gitarrengeschrammel-Charme und Nuschelgesang von THE FALL mit den guten Momenten der SWELL MAPS und den ruppigen Songs von JOY DIVISION verband.

„Processed“ ist mir einer für potenzielle Musikarchivare beseelenden Geschichte verbunden, die zweifelsohne zur Legendebildung beiträgt: Bereits 1997 aufgenommen, fand das Album, eingespielt in der Suite 16, Peter Hooks Privatstudio in Manchester, seinen Weg zu Rob Grettons Manchester Records (der „Entdecker“ von JOY DIVISION), wurde aber nie veröffentlicht, da Rob Gretton 1999 verstarb.

Damit schien das Schicksal des Albums zunächst besiegelt. Plastic Frog ist es hoch anzurechnen, dass das Label diese Perle aus dem Studioarchiv geholt und zu neuem Glanz verholfen hat, denn sie hat diesen anachronistischen Manchester-Charme, der „Processed“ eigentlich oft mehr an CRISPY AMBULANCE denn an JOY DIVISION heranrückt, den man sich heute oft wünscht, aber selten findet, mit allen seinen spröden Ecken und Kanten und seinem trockenen britischen Humor.

Da das Album auch noch von Chris Nagle, die recht Hand im Studio von JOY DIVISION-Produzent Martin Hannett, produziert wurde, könnte man beim Sound der Drums auch hier unterstellen, das Nagle den Schlagzeuger von GABRIELLE’S WISH dazu angehalten hat, sein Schlagzeug komplett auseinander zu bauen, um es anschließend wieder mit Teilen der Studiotoilette zusammenzubauen, so wie es einst Martin Hannett von JOY DIVISION-Schlagzeuger Stephen Morris verlangt hat, um eben diesen typischen metallenen Drumsound zu erzeugen.

In Sachen Legendenbildung dürfte „Processed“ in diesem Jahr ganz vorne liegen. Und wer will sich dann noch beeindruckt zeigen, dass die vier Bonus-Livetracks von einem Konzert stammen, bei dem GABRIELLE’S WISH Support für den NEW ORDER Reunion Gig 1998 im Manchester Apollo gespielt haben? Vermutlich ist das alles nur erfunden.

(Diese Band war auf der Ox-CD #95 zu hören)