MARTHA WASHINGTON 1: EIN AMERIKANISCHER TRAUM

Frank Miller, Dave Gibbons

Zu Frank Miller braucht man wohl nicht mehr viel zu erzählen, der Mann gilt ja nicht ohne Grund als legendäre Gestalt der amerikanischen Comic-Szene. Um so unverzeihlicher, was er da letztens mit seinem Film „The Spirit“ verbrochen hat, ich höre immer noch, wie Will Eisner deswegen im Grab rotiert.

Bei MARTHA WASHINGTON (im Original GIVE ME LIBERTY) handelt es sich um seine Zusammenarbeit mit WATCHMEN-Zeichner Dave Gibbons, der auch hier einen angenehm realistischen gleichzeitig poppigen Stil pflegt.

In diesem Band befinden sich die vier 1990 bei Dark Horse Comics erschienenen Einzelhefte, die das Ende von Millers Zusammenarbeit mit DC markierten. Die deutsche Erstauflage erschien 1992 als LIBERTY - EIN AMERIKANISCHER TRAUM in vier großformatigen Bänden bei Carlsen und darin waren die bösen Hakenkreuze noch nicht zensiert gewesen (ähnlich wie im Fall der unterschiedlichen WATCHMEN-Ausgaben).

Für langjährige Comic-Fans also wahrscheinlich mal wieder ein alter Hut, aber im Schaffen von Miller und Gibbons nach wie vor ein lesenswerter Klassiker, auch wenn er vielleicht nicht ganz das Niveau von WATCHMEN erreicht.

Zumal die Zusammenarbeit von Miller und Gibbons auch unter keinem guten Stern stand und es lange so aussah, als ob GIVE ME LIBERTY unvollendet bleiben würde. Gleichzeitig politische Satire, Actioncomic und zynische Dystopie, in der die USA in diverse extremistische Einzelstaaten zerfallen ist.

Im Mittelpunkt steht dabei das schwarze Ghetto-Mädchen Martha Washington, die im Verlauf der Handlung zu einer Art Jeanne d’Arc wird, auf deren Schulter das weitere Schicksal der Vereinigten Staaten lastet.

Kurz wiedergeben lässt sich die in den Jahren 1995 bis 2011 angesiedelte Handlung allerdings nur schwer, Miller und Gibbons lieferten hier eine wirklich recht wilde Mischung ab, in der sich äußerst absurde Einfälle mit bissiger Gesellschaftskritik verbinden, wobei auch Millers Sinn für drastische Gewalttätigkeiten einen großen Platz einnimmt.

Man muss dabei den abgedrehten Visionen der beiden Macher nicht immer folgen müssen, um die inhaltlichen wie visuellen Qualitäten von GIVE ME LIBERTY voll genießen zu können, ein nach wie vor höchst innovativer Mix, der sich nicht so genau kategorisieren lässt, was einen guten Comic halt auch ausmachen sollte.

Das offen gehaltene Ende verweist darauf, dass die Geschichte von Martha Washington hier noch nicht zu Ende ist, denn Miller und Gibbons legten noch 1994 MARTHA WASHINGTON GOES TO WAR (auf deutsch Mitte der Neunziger als LIBERTY - KRIEGSGEISTER veröffentlicht) und 1997 MARTHA WASHINGTON SAVES THE WORLD nach, die demnächst auch noch bei Panini erscheinen werden.

In den USA gab es bereits im letzten Jahr mit THE LIFE AND TIMES OF MARTHA WASHINGTON IN THE TWENTY FIRST CENTURY die Komplettausgabe mit allen Martha Washington-Geschichten als 600-Seiten starkes Hardcover, die allerdings bereits schon wieder vergriffen ist.

Eine Verfilmung scheint wohl inzwischen nicht mehr spruchreif zu sein, für die mal Rosario Dawson im Gespräch war, die aber das produktionstechnische Niveau der WATCHMEN-Adaption hätte besitzen müssen und ein Mainstream-Publikum sicher wieder komplett überfordert hätte.