Mit mit dem auf wahren Begebenheiten basierenden DAS EXPERIMENT hatte uns der Hamburger Oliver Hirschbiegel auf eindrucksvolle Weise mit den verstörenden Folgen einer Situation konfrontiert, in der Menschen in einem experimentellen Setting zu viel Macht über andere Menschen besaßen.
Den hochgelobten DER UNTERGANG von 2004 habe ich, wie ich gestehen muss, nie gesehen, denn irgendwie lache ich lieber über Hitler. Aber INVASION von 2007, sein Remake von Don Siegels DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN, hätte er sich dann wirklich sparen können.
Zwei Jahre später entstand dann mit FIVE MINUTES OF HEAVEN ein deutlich bescheidenerer Film, quasi ein Kammerspiel vor dem Hintergrund des Nordirlandkonflikts in den Siebzigern. Im Jahr 1975 erschießt ein Mitglied der Ulster Volunteer Force, der 16-jährige Alistair Little, einen Katholiken vor den Augen von dessen Bruder Joe, als Racheakt gegen die IRA. 30 Jahre später treffen diese beide Männer, Alistair Little (Liam Neeson) und Joe Griffin (James Nesbitt), wieder aufeinander, da man sie für eine TV-Sendung miteinander konfrontieren will und auf eine Aussöhnung der beiden hofft.
Little hat inzwischen wegen seiner Tat zwölf Jahre im Gefängnis verbracht und tritt nun als engagierter Gegner von Terrorismus auf. In Joes Kopf sind hingegen die Rachegelüste nie völlig verschwunden, auch wenn er inzwischen ein ganz normaler Familienvater ist.
Einen großen Teil von FIVE MINUTES OF HEAVEN nimmt dann nach einem Prolog in den Siebzigern der Part ein, als Little und Griffin das erste Mal nach 30 Jahren in dem Haus, in dem die TV-Sendung aufgezeichnet werden soll, aufeinandertreffen, was sich anders entwickelt, als die Beteiligten angenommen hatten, allerdings nicht die letzte Auseinandersetzung der Kontrahenten während des Films darstellt.
Hirschbiegel geht es dabei weniger um eine analytische Aufarbeitung des Nordirlandkonflikts, sondern um grundsätzliche moralische Fragen, vor allem, ob Little für seine Tat genug gebüßt hat beziehungsweise ob das ausreicht, um das Unrecht, das er Griffin und seinem Bruder abgetan hat, wieder gutzumachen.
Und natürlich, ob der erhoffte kurze Moment der Rache wirklich genügt, um Griffin wieder zu einem glücklicheren Menschen zu machen. Ein spartanisch inszenierter, durchaus kluger und berührender Film, der von den intensiven darstellerischen Leistungen von Neeson und Nesbitt getragen wird, allerdings dann beim kathartischen finalen Aufeinandertreffen von Opfer und Täter etwas an Glaubwürdigkeit verliert und die Toleranz des Zuschauers überfordert, was das Gesamtergebnis des klassischen Schuld-und-Sühne-Dramas aber nur bedingt schmälert.
Auf jeden Fall schön, Neeson mal wieder in einem Film zu sehen, der mehr schauspielerisches Talent verlangt als Gurken wie CLASH OF THE TITANS, 96 HOURS und THE A-TEAM.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #94 Februar/März 2011 und Thomas Kerpen