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FANTASIA

Mit den Worten „What you’re going to see on the screen are the designs and pictures and stories that music inspired in the minds and imaginations of a group of artists. In other words, these are not going to be the interpretations of trained musicians, which I think is all to the good.“ leitet „Moderator“ Deems Taylor Walt Disneys ambitioniertes Projekt FANTASIA ein, der damit offenbar versuchen wollte, seine Zeichentrickfilme vom Anruch der Trivialkultur zu befreien und in die Sphären von Hochkultur zu befördern.

Dafür mussten einige bekannte Werke der Klassik herhalten, aus der Feder von Johann Sebastian Bach, Pyotr Ilyich Tchaikovsky, Igor Stravinsky, Ludwig van Beethoven, Modest Mussorgsky oder Franz Schubert, die als Hintergrund für lose miteinander verbundene Zeichentricksequenzen dienen, die zwischen Abstraktion und stärkeren erzählerischen Elementen angesiedelt sind.

Etwa, wenn in FANTASIA zu der Musik von Stravinsky die Entstehung des Lebens auf der Erde bebildert wird. Oder natürlich die auch über den Film hinaus bekannte Adaption von Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“ mit Mickey Mouse als Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird, bis sein Hexenmeister zurückkehrt und die Situation bereinigt.

Allerdings die einzige bekannte Figur aus dem Disney-Universum, die hier auftritt, auch wenn das bizarre, erstaunlich humorvolle Ballett gegen Ende mit Krokodilen, Nilpferden und Elefanten ein wenig an das DAS DSCHUNGELBUCH erinnert, der ja allerdings erst 1967 entstand.

FANTASIA bewegt sich dabei immer auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch, denn ernsthaften Klassik-Liebhabern könnte die manchmal naive Art, wie diese Musik in Bilder übersetzt wurde, etwas gegen den Strich gehen.

Dennoch dürfte FANTASIA grundsätzlich eher etwas für ein erwachsenes Publikum sein, denn gerade die klassische Musik und die abstrakte Erzählweise werden die meisten Kids wohl zu Tode langweilen.

Oder zu Tode ängstigen, denn zum Schluss beschwören die Disney-Zeichner in FANTASIA auch noch in recht beeindruckender Form den Satan höchstpersönlich in einem orgiastischen Ritual. Für die damalige Zeit ein wirklich gewagtes Experiment, dem man nicht unbedingt ansieht, dass es inzwischen 70 Jahre auf dem Buckel hat, auch wenn sich natürlich die Tricktechnik seitdem rasant weiterentwickelt hat.

Bei seiner Erstaufführung allerdings ein Flop, der offenbar das Publikum überforderte, und der erst in den Sechzigern bei Marihuana-Liebhabern Kultstatus entwickelte. Und diese faszinierende wie berauschende Chill-out-Mentalität hat sich der Film bis heute bewahren können, der im wahrsten Sinne des Wortes psychedelisch ist beziehungsweise war, bevor man überhaupt von so etwas sprach.

Bereits 2002 erschien der Film hierzulande auf DVD, allerdings um die Szenen mit Moderator Deems Taylor gekürzt, der durch einen Off-Sprecher ersetzt wurde, was bei der neuen Fassung wieder geändert wurde.

Nach wie vor zensiert ist allerdings die „The Pastoral Symphony“, das gilt für alle erhältlichen Fassungen weltweit, bei der bereits in den Sechzigern aus „political correctness“-Gründen in einigen Sequenzen eine dunkelhäutige Zentaurin entfernt wurde.

Entweder, indem man in das Bild hineinzoomte oder durch ein aufwändiges Herausretuschieren der Zentaurin, insofern bekommt die vielgepriesene „digitale Restaurierung“ hier eine ganz neue Bedeutung.

Bis auf eine kurze Einstellung, in der sich ein Teppich wie von Geisterhand alleine ausrollt, dürfte dieser Eingriff auch kaum jemand auffallen. Geschnitten ist der Film allerdings in dieser Form nicht, wobei es relativ albern ist, dass Disney nach wie vor an dieser Zensur festhält, denn innerhalb dieser naiven Bilderwelten fällt es wirklich schwer, dabei von echtem Rassismus zu sprechen.

Bei Interesse einfach mal bei YouTube nach „Fantasia - The Pastoral Symphony - UNCUT“ suchen. Auch die Bezeichnung „Special Edition“ verdient diese DVD nicht wirklich, denn bis auf einen Audiokommentar gibt es hier keine besonderen „Specials“, dafür bekommt man diesen Zeichentrick-Klassiker allerdings in bestechender Qualität geliefert.

Relativ spät entstand 1999 mit FANTASIA 2000 ein Versuch, an diesen Klassiker anzuknüpfen und das Ganze an die verbesserte Zeichentricktechnik anzupassen. Mit gerade 70 Minuten – FANTASIA dauert zwei Stunden – ein recht mageres Unterfangen, zumal hier auch noch mal „Der Zauberlehrling“ mit Mickey Mouse recycelt wurde, wobei es auch hier sehr sehenswerte Segmente gibt.

Was den Kauf der ebenfalls neu erschienenen DVD von FANTASIA 2000 allerdings gerechtfertigt hätte, wäre der Kurzfilm DESTINO (die legendäre, unvollendete Zusammenarbeit von Disney und Dalí, die in den 40er Jahren begann), der erst 2003 basierend auf Entwürfen von Dalí fertiggestellt wurde, ärgerlicherweise aber nur auf der Blu-ray Disc enthalten ist.

Neben DESTINO befindet sich noch eine Dokumentation über dessen Entstehung in Spielfilmlänge auf der Blu-ray, welche die Bezeichnung „Special Edition“ in diesem Fall wirklich mal verdient und der normalen DVD natürlich klar vorzuziehen ist.