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TODESKOMMANDO ATOMSTURM

Endlich Zukunft

Sechs Jahre hat es gedauert, bis die Münchener Band nach ihrem letzten Album kurz vor Ende 2022 ihre neue Scheibe raushaute. Und sie machen genau da weiter, wo sie 2016 mit „Hunger der Hyänen“ aufgehört haben. Schon die Kombination aus dem Titel „Endlich Zukunft“ und dem düsteren dystopisch anmutenden Coverfoto weist die Richtung, in denen acht neuen Stücke gehen. Der Opener „Dead punks“ ist ein Song der Extraklasse. Schnell, aggressiv und doch melodisch kritisieren TODESKOMMANDO ATOMSTURM diese unsere Punk-Szene und verpacken ihre Aussagen in Dialogform, also Rede und Gegenrede, wobei sie sich auch durchaus selbst zitieren mit „Früher war doch mal Hass da“. Ihre Kritik an einer Cis-Männer-dominierten, überalternden und unreflektierten Szene wird knallhart auf den Punkt gebracht. „Macht kaputt was Punk kaputt macht“ und dann wird festgestellt: „Punk is dead – but punks are not“. Interessant finde ich da auch den – vielleicht auch nur für mich – vermeintlichen Widerspruch, den die Band im Interview auflöst, und den Rückgriff auf eine Thematik, die ja auch schon gut mehr als vierzig Jahre alt ist. Während CRASS 1979 ihren Song „Punk is dead“ veröffentlichten, hielten THE EXPLOITED mit „Punks not dead“ dagegen. Und TODESKOMMANDO ATOMSTURM haben in diesem Falle die Rolle von CRASS inne. Die Spannung und die Stimmung des ersten Tracks kann die Band gefühlt ohne Probleme über das gesamte Album halten. Der Song „Nein“ geht in die gleiche Richtung wie „Dead punks“. Es muss nicht immer alles totdiskutiert werden, wenn sich das Gegenüber wie ein trotziges Kind benimmt. In „Seelenverkäuferin“, der erste Text den sie nicht selbst geschrieben haben, geht es um das Hamsterrad „Karriereleiter“ und den Preis, für den sich Menschen verkaufen müssen. Von dem leidigen Thema Älterwerden handelt „Tigerbalsam“. Sehr gelungen finde ich da das TOXOPLASMA-Zitat „Der Teenagefrust ist nie vergangen, wir hatten nie ein Ziel und sind nie angekommen“. Auch da sprechen sie mir voll aus der Seele. „Tag des Feuers“ dreht sich um die systematisch gelegten und vernichtenden Brände in Brasilien – nicht nur am Amazonas – noch unter einem faschistischen Präsidenten. „Kabul calling“ beschreibt die bittere Realität von Geflüchteten, die, wenn sie die Flucht in die Festung Europa geschafft und überlebt haben, sich in der kalten Welt der Bürokratie wiederfinden und dieser ausgeliefert sind. Der letzte Song hat zwar mit „Über den Trugschluss der feministischen Punkrockparty“ einen deutschen Titel, ist aber sonst komplett auf Französisch – und ich verstehe kaum ein Wort. Und spätestens hier möchte ich den Vergleich mit RAZZIA zur Zeit der „Ausflug mit Franziska“-Platte ziehen, sowohl wegen des französischen Textes als auch bei der Stimmung, die TODESKOMMANDO ATOMSTURM bei mir auslösen.