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ELECTRA GLIDE IN BLUE

ELECTRA GLIDE IN BLUE ist James William Guercios einzige Regiearbeit, der damalige amerikanische Cannes-Beitrag, dafür ist der Mann als Produzent und Sessionmusiker im Musikgeschäft über die Jahre umso erfolgreicher gewesen.

Kult ist ja ein etwas überstrapazierter Begriff, aber Guercios Film verdient ihn auf jeden Fall, eine Mischung aus Biker-Movie-Motiven und Polizei-Thriller, mit Anleihen von DIRTY HARRY, EASY RIDER und VANISHING POINT, mit kleinem Budget gedreht und sicherlich nicht perfekt – und lange Zeit auch nur sehr schwer aufzutreiben.

Dafür bekommt man einen wagemutigen Genre-Crossover geliefert, ein von MARATHON MAN-Kameramann Conrad Hall wunderschön photographiertes, deprimierend existentialistisches Drama über die Untiefen des amerikanischen Traums, der sich für den Streifenpolizisten John Wintergreen (in der deutschen Synchronfassung heißt er absurderweise Winterberg) nicht erfüllt.

Der düst auf seinem Motorrad, einer Harley Davidson Electra Glide, durch die Wüste Arizonas und geht ziemlich sinnentleerten Tätigkeiten nach, wie etwa Hippies zu schikanieren und Geschwindigkeitssünder zu ermahnen.

Der vermeintliche Mord an einem Einsiedler scheint dann für Wintergreen die große Chance zu sein, aus der Trostlosigkeit seines Jobs herauszukommen, durch die man entweder völlig abstumpft oder durchdreht wie viele seiner Kollegen.

Ein kleiner Mann mit großen Träumen – eine Art Running Gag ist dabei, wie Guercio ständig die geringe Körpergröße von 1,60 seines Hauptdarstellers Robert Blake in Szene setzt. ELECTRA GLIDE IN BLUE ist allerdings in erster Linie eine ernsthafte, gar nicht lustige Charakterstudie und weniger ein von Eskapismus geprägter Actionfilm, auch wenn Guercio immer wieder sehr geschickt die Elemente der bereits schon angesprochenen Filme aus dieser Zeit integriert – Sam Peckinpah ist dabei auch nicht weit.

Letztendlich handelt es sich aber um ein sich eher antiklimaktisch zuspitzendes Roadmovie mit Western-Touch, dem damals vorgeworfen wurde, ähnlich faschistoid zu sein wie Don Siegels DIRTY HARRY.

Was sich heutzutage nur noch schwer nachvollziehen lässt, da Wintergreen wenn überhaupt ein sehr trauriger, allzu menschlicher Held ist, der wenig mit dem Selbstjustiz-Heroismus von Harry Callahan gemein hat.

Ein an sich völlig schizophrener Film, der einerseits die Antithese zum Freiheitswahn von EASY RIDER darstellt, also durchaus konservativ ist, anderseits auch versucht, mit seiner kritischen Darstellung des Alltags der Streifenpolizisten das Hippie-Publikum nicht völlig zu verprellen.

Ein unmögliches Unterfangen, das ELECTRA GLIDE IN BLUE aber gerade mit einem Abstand von über 30 Jahren betrachtet zu so einem großartigen Film macht. Auch bedingt durch Blakes darstellerische Leistung, ein ehemaliger Kinderstar, zu dessen bekanntesten Filmen IN COLD BLOOD gehören dürfte.

Zuletzt war er 1997 als zerknautschter Mystery Man in Lynchs LOST HIGHWAY zu sehen, da dessen Karriere nachhaltig beschädigt worden war, als er 2001 des Mordes an seiner Frau angeklagt wurde und erst 2005 von diesem Verdacht freigesprochen wurde.

Ein äußerst sehenswerter Film für Freunde ungewöhnlichen 70er Jahre Kinos, jetzt auch hierzulande in sehr guter Qualität auf DVD veröffentlicht, inklusive deutscher und englischer Tonspur und Audiokommentar des Regisseurs.